Riemenschneider
Bratenrest aus den Zähnen und schmeckte ihm nach. »Wir haben dir Papier, Feder und Tinte zugestanden und angeordnet, dass dir zum Schreiben die Handfesseln gelöst werden.«
»Und außerdem sind wir mehr als entgegenkommend.« Kanzler Johann Brief hob den Finger. »Wir haben deiner Hausfrau gestattet, dich zu besuchen, dir Nahrung zu bringen, sogar Kleidung. Genügt dies nicht?«
»Dafür danke ich.« Trotz der Ketten verneigte sich Bermeter elegant, gleich blickte er, ohne den Kopf zu heben, zum Richtertisch auf. »Wie aber soll ich die kurze Zeit mit meiner Hausfrau nutzen? Ohne Freiheit der Hände? Ihr habt meine Lisbeth hier in diesem Saale mit eigenen Augen betrachten können. Wie sehne ich mich danach, sie noch einmal umfassen zu können.«
Die Vorsitzenden sahen sich an, blickten fragend zu den Schöffen und fanden keine Ablehnung in deren Mienen. »Wir werden nach dem Verhör darüber entscheiden.«
Marschall Heinz räusperte sich, gab den Schreibern einen Wink und blickte vor sich auf die lange Liste. Nur zwei Fragenblöcke waren noch zu klären. »Hans Bermeter, du wirst beschuldigt, in jenen Tagen der Unruhe auch Briefe gefälscht zu haben, als stammten sie von den Bauernführern. Und bist damit auf die Plätze der Stadt gegangen und hast sie der Menge vorgelesen.«
Bermeter zuckte mit den Schultern. »Nichts bewegte sich. Alle warteten ab. Der Stillstand musste beendet werden. Konnte ich Besseres tun? Und Ihr müsst zugeben, es waren verflucht gute Briefe. Die zündeten.«
»Du hast dich also als Vertrauten des Bauernrates ausgegeben und mit gefälschten Nachrichten den Pöbel weiter aufgehetzt. Entspricht dies den Tatsachen? Antworte kurz und klar.«
Eine Verneigung. »So ist es. Ich habe solche Nachrichten erdichtet.«
»Zum anderen wird dir zur Last gelegt, auch Briefe gefälscht zu haben, als stammten sie von Bürgermeister und Rat der Stadt Würzburg. Diese Schreiben hast du persönlich ins Lager der Bauern gebracht und sie den Hauptleuten ausgehändigt.«
»Ich wollte die Entscheidung herbeiführen. Da gab es Männer im Stadtrat, die zauderten, sie wollten sich nicht mit den Bauern einlassen. Und da habe ich nachgeholfen …«
Ein Fausthieb auf den Tisch unterbrach den Redeschwall. »Antworte.«
»Ja, es ist wahr.«
»In diesem Zusammenhang«, nun übernahm Kanzler Johann Brief das Verhör, »noch ein letzter Punkt: In den ersten Apriltagen ging das Gerücht um, unser gnädiger Hoher Herr hätte heimlich Geschütze und Reiterei in seinen Stadthof Katzenwicker verlegen lassen, um daselbst hinterrücks viele Bürger niederzumachen. Dieses Gerücht hat der Bildschnitzer Riemenschneider in die Ratsversammlung getragen und dort verkündet. Nach der Niederschlagung des Aufstandes wurde Riemenschneider eingekerkert und hochnotpeinlich befragt. Er leugnete trotz Folter und gab an, dieses Gerücht von dir gehört und es in gutem Glauben weitergegeben zu haben. Bist du der Erfinder dieser schändlichen Behauptung?«
Bermeter betrachtete seine Füße, ließ die großen Zehen abwechselnd wippen, als erzählten sie sich gute Neuigkeiten. »Es hat diesen ach so anständigen Ehrenmann also auch erwischt«, flüsterte er. »Wie mir das schmeckt …«
»Sprich klar und deutlich!«, fuhr ihn der Vorsitzende an. »Mit einem Geständnis kannst du den Bildschnitzer im Nachhinein reinwaschen.«
Bermeter dehnte den Rücken. »So gerne ich dem Mann helfen würde, aber ich kann nicht. Weil ich einfach nicht mehr weiß, ob ich das Gerücht von ihm hab oder er von mir.«
Der Kanzler legte den Fragebogen beiseite. »Letztlich ist es auch unerheblich. Riemenschneider hat längst seine Strafe erhalten.« Er faltete die Hände. »Und nun zu diesem Prozess: Das Verhör ist damit beendet. Nach eingehender Beratung werden wir morgen das Urteil fällen.« Er winkte dem Oberaufseher. »Der Angeklagte soll abgeführt werden.«
Bermeter jammerte auf. »Bitte, hochwohlgeborene Herren, so erlaubt, dass mir im Loch die Ketten abgenommen werden. Ich ahne doch mein Ende. Vergönnt mir Armem doch diese kleine Gunst.«
Vorsitzende und Schöffen verständigten sich mit Blicken, und Marschall Heinz wies den Lochwirt an, dem Gefangenen auch diese Erleichterung zu gewähren.
Das einstimmige Urteil lautete: Tod durch das Schwert. Die Vollstreckung war auf Donnerstag, den 11. Juli im Jahre des Herrn 1527, angesetzt.
Am Vortag wurde Bermeter vom Oberaufseher selbst aus dem engen Loch herausgeholt. »Von heute an hast du’s bequem.« Auf dem Weg
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