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Riesling zum Abschied

Riesling zum Abschied

Titel: Riesling zum Abschied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P Grote
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nicht, und um unseren Keller entsprechend umzubauen, brauchen wir Jahre.«
    |342| »Dann steht für dich das Schwierigste bevor«, hatte sein Vater geunkt, ohne ihn kritisieren zu wollen: »Du musst warten und warten und warten – wie auf alle großen Weine.«
    Jetzt wartete Thomas auf Pascal, der über den Hof des Weingutes Langwerth von Simmern schlenderte. Thomas war am grün überwachsenen Tor stehen geblieben, es hätte sein können, dass Waller vorbeikäme, es gab nicht viele Wege zum Ufer. Für eine Probe im Weingut reichte ihre Zeit nicht, aber wenn sie schon hier waren, konnten sie die Weine des Freiherrn auch unten am Probierstand genießen. Das konnte der erfreulichste Teil des Treffens, vor dem Thomas sich zu fürchten begann, werden. Was mochte es bedeuten, dass Waller ihn sprechen wollte?
    Der Rhein zeigte immer seine beruhigende Wirkung. Wenn er nur lange genug am Ufer entlanglief, fand er zwar nicht für jedes Problem eine Lösung, aber er kam ihr ein beträchtliches Stück näher. Thomas sah auf die Uhr, lehnte sich mit der Schulter gegen den Eckpfeiler des Probierstandes, eines kleinen Pavillons neben einer Reihe von Tischen, und beobachtete unruhig die Menschen auf der Uferpromenade.
    »Da kommt er«, sagte Thomas leise auf Französisch, erstaunt, wie gut er in die Sprache zurückfand, nach nur einer Nacht endloser Diskussionen.
    »Der im grauen Anzug, unter der Platane neben dem Mülleimer, vor der Frau in Gelb?«
    »
Exactement
. Woran hast du ihn erkannt?«
    »Schon vergessen? Du hast mir ein Bild von ihm gezeigt. Immerhin bin ich ein
taureau
, wie ihr uns nennt, ein Bulle.«
    »In natura sieht er anders aus, auf dem Foto im Internet ist er sympathischer.«
    Waller machte einen gehetzten Eindruck. Er sah sich um, steckte einen Kaugummi in den Mund, steckte das Einwickelpapier ein, statt es in den Mülleimer vor ihm zu werfen, und trat aus dem Schatten der Platanen ins Licht |343| der Promenade. Ab und zu riskierte er einen unauffälligen Blick in Richtung Pavillon.
    »Er hat uns, oder besser dich, längst gesehen«, murmelte Pascal, und Thomas brummte zustimmend.
    Als sich ihre Blicke kreuzten, nickte er kurz, Waller schaute sich erneut um, gab sich einen Ruck und setzte sich in Bewegung. Unter den leger gekleideten Ausflüglern an diesem schwül-heißen Tag wirkte er in seinem grauen Anzug wie ein Fremdkörper. Seine Lässigkeit war aufgesetzt, die Hand in der Jackentasche mit dem angewinkelten Arm wirkte, als wäre ein Gipsarm an einen Torso geklebt worden.
    »Es würde mich nicht wundern, wenn er sich gleich in die Hose scheißt.« Pascal besaß die Fähigkeit zu reden, ohne die Lippen zu bewegen, er hätte als Bauchredner sein Geld verdienen können.
    »Wenn er das macht, sind wir umsonst hergekommen.« Thomas verbiss sich das Lachen. »Dann muss er die Hose wechseln, statt mit mir zu reden.«
    Das vertrauenheischende Begrüßungslächeln wirkte falsch, weil die obere Gesichtshälfte starr blieb und Waller nur die Zähne fletschte. Sein Haar war dunkelblond, das Gesicht schmal und blass, einige Tage im Weinberg bei strahlender Sonne würden ihm guttun. Er war jünger als Philipp, sein Aussehen entsprach dem Bild eines Versicherungsvertreters. Dabei war er laut Homepage Diplom-Chemiker und hatte promoviert.
    »Sie wollten mich sprechen, Herr Waller?« Thomas streckte ihm die Hand entgegen, die Waller zögernd ergriff. Lasch war sein Händedruck nicht. »Hier bin ich! Und dieser Herr ist ein Freund von mir aus Frankreich. Monsieur Pascal Bellier spricht kein Deutsch. Sie werden entschuldigen, dass ich ab und an etwas übersetze.«
    »Das war so nicht vereinbart. Sie wollten allein kommen.« Wallers Stimme war rau, er räusperte sich mehrmals, sein Misstrauen flackerte auf, er machte Anstalten, zu gehen.
    |344| »Nach zwei Anschlägen werden Sie das bestimmt verstehen. Mein Freund und Kompagnon Manuel ist seit Monaten im Gefängnis, eine Kommilitonin von mir wurde ermordet – was sollte da noch lustig sein, Herr Waller?«
    »Zwei Anschläge?«, fragte Waller. »Ich weiß davon nichts. Und ich bin hier, um Missverständnisse auszuräumen.«
    »Sie nennen das Missverständnisse? Dass Mord inzwischen als Missverständnis bezeichnet wird, ist mir neu.«
    »Ihr Sarkasmus hilft uns nicht weiter, Herr Achenbach. Mir geht es darum, die Position von Chem-Survey klarzustellen.« Jetzt trat ein Lauern in Wallers Blick.
    Er will mich reinlegen, dachte Thomas, er weiß mehr, vielleicht spricht er sogar

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