Riesling zum Abschied
Französisch. Er übersetzte, dann wandte er sich erneut Waller zu. »Dann stellen Sie klar. Was im Internet steht, wissen wir bereits.« Er nickte Pascal zu. Es war ihm nicht wohl dabei, derart aufzutrumpfen.
»Sie haben die Wohnung in Lorch gemietet und die Maler bestellt. Welche Spuren sollen beseitigt werden? Die von Herrn Professor Dr. Marquardt und von Alexandra Lehmann? Beide wurden dort gesehen.«
»Es ist üblich, dass man renoviert ...«
Thomas unterbrach ihn sofort. »Nicht, wenn der Hausbesitzer es nicht will ... aber weiter. Sie haben eine Detektei damit beauftragt, Frau Breitenbach und mich zu beschatten. Das war die Grundlage für Gerüchte, die Herr Florian über uns verbreitet hat. Und dann wurden die Lügen noch von den Handtaschen ins Netz gestellt. Haben Sie das bezahlt?«
»Welche Handtaschen?« Waller sah Pascal an, als könne der darauf antworten.
»Zwei Studentinnen, die wir so nennen.«
»Damit hat Chem-Survey nicht das Geringste zu tun.«
»Was noch zu beweisen wäre ...« Thomas wehrte Wallers Entgegnung mit der Hand ab und übersetzte.
In Wallers Augen war zu lesen, dass er vom Gesagten |345| nichts verstand. »Wer ist dieser – junge Mann wirklich? In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?«
»In derselben Beziehung wie zu Manuel Stern.« Thomas konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Waller sich bei Manuels Namen wieder umgeschaut hatte. »Was beunruhigt Sie?«
»Nichts, ich habe viel Arbeit und wenig Zeit. Können wir nicht woanders hingehen? Beim Mittagessen redet es sich leichter, ich lade Sie ein.«
»Dürfen wir unseren Wein noch austrinken?«
Während Waller verstohlen von einem Bein aufs andere trat, tranken die Freunde ihren Wein betont langsam. Pascal hatte den Rauenthaler Baiken vor sich. Im ausgehenden 19. Jahrhundert hatten die Weine dieser Lage Weltruf erlangt. Thomas, der wie immer aus Neugier auch den Wein seines Freundes probierte, empfand ihn schöner als den Eltviller Riesling in seinem Glas. Beide stammten aus dem letzten Jahr. Es war für den Rheingau insgesamt grandios gewesen, anders als dieser verregnete Sommer.
Schweigend bogen sie vor dem Schloss ab und betraten den Hof Bechtermünz. Am äußersten Rand des Gartens fanden sie einen freien Tisch.
»Waller hat den strategisch günstigsten Platz angesteuert«, meinte Pascal, »er hat sowohl den Zugang wie auch die Gäste im Blick und die Sonne hinter sich.«
Man setzte sich, das Schweigen war spannungsgeladen, Waller zeigte nicht die geringste Regung. Der Ober kam, Thomas bat um seinen geschätzten Spätburgunder, was Waller kategorisch ablehnte. »Ich sage nur Robert Weil. Das sind die besten Rieslinge des Rheingaus.«
»Den besten Wein gibt es nicht«, konterte Thomas. »An der Spitze ist alles Geschmacksache, Herr Waller. Es gibt viele tolle Weine und großartige Winzer hier.«
»Haben Sie die Weil-Weine überhaupt probiert? Ich glaube, dass sie für Studenten kaum erschwinglich sind.«
|346| Allein für das blöde Grinsen hätte Thomas ihm eins auf die Nase geben können. »Glauben Sie nicht, dass Sie etwas vorschnell urteilen?« Thomas hielt es für dumm, mit seinem Weinwissen anzugeben, aber dieser Herr hier brauchte wirklich einen auf die Nase, nur in anderer Form.
»Die Spätburgunder vom vorletzten Jahr sind zwar sehr schön, sowohl der aus dem Stückfass wie auch der im Barrique ausgebaute, aber Letzterer braucht mehr Zeit, das Holz ist noch nicht ideal eingebunden. Bei den Weißen gefallen mir die jungen am besten, die Lage Klosterberg hingegen ist vom Aroma schwächer, auch der Gräfenberg ist noch verhalten. Noch – sage ich ganz bewusst, doch er kommt. Meinen Sie nicht?«
Waller nickte, und Thomas merkte, dass er ihm auf diesem Gebiet nicht das Wasser, geschweige denn den Wein reichen konnte. Es zeigte sich mal wieder, dass sein Vater Chef-Einkäufer eines Weinimporteurs gewesen war und er früh mit dem Probieren angefangen hatte. Es machte ihm riesigen Spaß, und jetzt machte es ihm Spaß, Waller vorzuführen.
»Beim Ersten Gewächs von dieser Lage steht mir persönlich das Holz noch zu sehr im Vordergrund. Die halbtrockenen Qualitäten sind ausgezeichnet, angenehm im Mund, Süße und Säure harmonieren, und trotz der fülligen Aromen bleiben die Weine schlank. Probieren Sie mal, Herr Waller. Von den Spätlesen, den Auslesen und den Beerenauslesen habe ich leider nur den Gräfenberg probiert. Aber ich sage Ihnen, die sind alle exzellent, sehr dicht, auch
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