Riesling zum Abschied
vielseitig im Geschmack, reife gelbe Früchte zeigen sich, etwas Paprika, Aprikose – alles Weine mit Tiefe ... Aber eigentlich wollte ich keinen Fisch essen.« Mit diesen Worten schloss Thomas den Vortrag und übersetzte für Pascal die Speisekarte. Auch er entschied sich für ein Fleischgericht.
Waller war nur kurz eingeknickt. »Fisch zu Weißwein |347| und Rotwein zu Fleisch – das ist längst passé, dass sollten Sie als Geisenheimer wissen.«
»Woher wissen Sie, was ein Geisenheimer weiß, Herr Dr. Waller? Von Professor Marquardt?«
»Hören Sie zu«, sagte er barsch, »hören wir auf, um die Sache herumzureden. Es geht um etwas ganz anderes. Ich möchte Ihnen den Hintergrund erklären ... Ich habe über viele Jahre ein nationales Informationssystem aufgebaut, das sich mittlerweile auch auf die anderen E U-Länder erstreckt. Sie sagten, Sie hätten die Homepage gelesen, dann wissen Sie, was wir tun. Wir bieten Forschern, die sich austauschen wollen, ein Forum. Wir suchen für sie die Partner in anderen Einrichtungen und Finanzquellen. Darüber hinaus suchen wir Möglichkeiten zur Vermarktung von Wissen, und wir verwalten Patente. Wir eruieren, woher die Mittel dazu stammen und wer welche Art Forschung fördert. Ich selbst stelle Kontakte zu den Einrichtungen und den Wissenschaftlern her. Wir sind Wissenschaftsmakler. Das geschieht keineswegs selbstlos, Chem-Survey verdient daran. Kommt es zu interessanten Ergebnissen, kaufen wir sie auf und bieten sie möglichen Interessenten an. Auch damit haben wir Erfolg.«
»Das hört sich alles schön an, nur was haben Manuel Stern, Frau Breitenbach und ich damit zu tun?«
»Direkt nichts – aber indirekt. Lassen Sie mich ausreden. Nie verläuft alles nach Plan, besonders dann nicht, wenn man mit Menschen zu tun hat. Und diese Menschen verhalten sich nicht wie vorgesehen, wie es weder für andere noch für sie selbst gut ist.«
»Das ist Ansichtssache ...«
»Nicht, wenn andere daran beteiligt sind. Um es klar zu sagen: Professor Marquardt ist unser Problem geworden. Das überrascht Sie nicht, wie ich sehe?«
Thomas schüttelte den Kopf und übersetzte. Pascal lächelte verständnislos.
|348| »Professor Dr. Marquardt hat seinen Auftrag missverstanden«, fuhr Waller fort. »Wir waren der Meinung, er solle sich in die Forschungsanstalt Geisenheim integrieren und sich nach Partnern umsehen, mit denen man zusammenarbeiten kann. Es gibt da gute Wissenschaftler, die unsere Ansprüche erfüllen. Nur manchmal verselbstständigen sich die Dinge leider, und manch einer schießt über das Ziel hinaus, andere verstehen ihren Auftrag falsch ...«
»Das ist eine gern genutzte billige Ausrede«, fuhr Thomas dazwischen. Er war kurz davor, aufzustehen. Hier war kein Weiterkommen.
Waller sprach schnell weiter, als wolle er Thomas am Aufstehen hindern. »Der Professor sollte aber keine Studenten dazu auffordern, Forschungsergebnisse auszuspionieren, geschweige denn es selbst tun. Das ist für uns absolut inakzeptabel.«
Darauf wollte er also hinaus, darauf hatte Marquardt es abgesehen, deshalb die Chemie-Lehrbücher in Alexandras Wohnung. Da waren sie endlich ein kleines Stück weiter, aber war das wirklich der Hintergrund, auf dem sich alles abspielte?
»Deshalb tötet man niemanden, und wozu diente die Wohnung in Lorch? Weshalb haben Sie Frau Breitenbach und mich überwachen lassen?«
Thomas’ Kenntnisstand verwirrte Waller offenbar, er begann zu stammeln. »Viele Firmen verfügen ... über ein Apartment, um Geschäftsfreunde ... unterzubringen. Professor Dr. Marquardt ... er hatte Zugang.«
»Und das hat er jetzt nicht mehr?«
Waller war perplex, er brauchte eine Sekunde zu lang für die passende Antwort. »Wir ... wir haben eine Wohnung in Mainz gefunden, die erfüllt ihren Zweck.«
»Sie kommen vom Thema ab, Herr Waller. Was ist wirklich mit Marquardt los?«
»Er ist für uns nicht mehr zu erreichen. Er entzieht sich. |349| Das hat mit dieser Studentin begonnen, er war völlig vernarrt in das Mädchen, wie von Sinnen – er hat immerhin Frau und Kinder.«
»Der arme Professor.« Thomas verbiss sich das Grinsen und spielte den Mitfühlenden. »Man hört es ja immer wieder, dass ältere Männer jungen Frauen geradezu verfallen, nicht?«
»Es ist die Jugend, die einen Mann in der Mitte des Lebens betört. Es scheint, dass Marquardt sie für sich hat arbeiten lassen. Sie hat ihm wohl Material beschafft, es hat ihr geschmeichelt, dass
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