Riley Das Mädchen im Licht
aufgelistet, als ich das letzte Mal nachgesehen habe, richtig?« Ich hob den Blick und hoffte verzweifelt, ein klein wenig Bestätigung und Verständnis zu bekommen, irgendetwas, und ich fand es bei Aurora – die Einzige, auf die ich zählen konnte, diejenige, auf die ich mich konzentrieren wollte. »Ich meine, wenn Sie mir noch ein paar Jahre gegönnt hätten, hätte ich mich ändern können. Vielleicht hätte ich sogar irgendetwas Großartiges vollbracht, irgendetwas ganz Tolles, das die Welt verändert hätte, verstehen Sie? Aber jetzt … Na ja, jetzt werden wir nie wissen, wozu ich fähig gewesen wäre, weil Sie mich so früh aus dem Spiel genommen haben.« Ich seufzte, teilweise, um einen dramatischen Effekt zu erzeugen, und teilweise, weil die ganze Sache ziemlich anstrengend war. Da sie mich immer noch schweigend anstarrten, fuhr ich fort: »Also gut. Sie wollen die Wahrheit wissen? Hier ist sie. Ich fühle mich beraubt! Mal im Ernst. Tot mit zwölf Jahren? Das ist nicht fair! Und warum bin eigentlich ich diejenige, die ihr Handeln erklären muss? Ich war noch ein Kind – ich sollte noch unreif sein! Aber ihr – na ja, vielleicht wenigstens einer von euch, sollte mir mal ein paar Dinge erklären. Vielleicht bin ich diejenige, die einige Antworten im Hier verdient hätte? Oder? Hat von euch mal jemand daran gedacht?« Ich hielt inne; ich war erregt und atmete heftig. Und ich brauchte keinen Spiegel, um zu wissen, dass mein Gesicht puterrot war.
Ich konzentrierte mich wieder auf meine Schuhe und schwor mir, ab sofort den Mund zu halten. Egal, was als Nächstes geschehen würde, ich würde kein Wort mehr sagen, das schwor ich mir. Und ich würde mich auch für keine meiner Taten mehr verteidigen. Mein Leben war vorbei, und ich konnte es nicht mehr ändern, das war mir klar. Erneute Versuche waren nicht gestattet. Das bedeutete, dass das hier überhaupt keinen Sinn ergab. Es war quälend, gemein und absolut unfair, und ich würde ihnen auf keinen Fall noch mehr Munition liefern, als sie ohnehin schon in der Hand hatten und gegen mich verwenden konnten.
Ich blieb einfach sitzen, fest entschlossen, weiterhin zu schweigen und zu warten, so lange die Sache sich auch hinziehen mochte. Schließlich sah Aurora mich an und sagte: »Ich weiß, dass du es jetzt wahrscheinlich noch nicht verstehst, aber die Zeit wird kommen. Dann wird alles für dich einen Sinn ergeben, das verspreche ich dir. Im Moment sollst du wissen, dass alles so läuft, wie es vorgesehen ist. Es gibt keine Bestrafung, kein hartes Urteil und kein Desaster irgendeiner Art. Alles ist so, wie es sein soll. Wir versuchen lediglich, die Dinge aus deiner Sicht zu verstehen, dein Leben mit Mitgefühl zu betrachten, um dich nicht zu benachteiligen. Wir alle wissen, wie schwer es ist, auf der Erdebene seinen Weg zu finden – dort wird man sehr oft abgelenkt, und es gibt viele Richtungen, die man einschlagen kann. Wir verurteilen keine einzige deiner Taten, Riley. Es gibt also keinen Grund für dich, ängstlich oder zornig zu sein. Wir wollen dich einfach nur besser verstehen – das ist alles.«
Unsere Blicke trafen sich. Ja, sie war freundlich, nett und, ach, engelsgleich, und sie strahlte einen wunderbaren Glanz aus, aber das reichte mir nicht. Ich weigerte mich, mich so leicht abfertigen zu lassen.
»Also ist es mein Schicksal, tot zu sein?«, stieß ich hervor, brach damit mein Gelöbnis zu schweigen und fragte mich, ob meine Neigung dazu, vorlaut zu sein, wie meine Mutter es nannte, mich im Hier ebenso in Schwierigkeiten bringen würde wie zu Hause.
Aber Aurora lächelte nur, während die anderen der Gruppe sich ansahen und leise lachten. Ich kann euch sagen, dass mich das kein bisschen aufheiterte, da ich ja nicht versucht hatte, einen Witz zu machen.
»Zu gegebener Zeit wird alles Sinn ergeben«, warf Claude mit dem langen, zotteligen Bart ein, stützte seine nackten Füße gegen den Sitz vor ihm und fügte hinzu: »Hast du jetzt im Moment noch etwas zu dir zu sagen? Irgendwelche Anmerkungen zu dem, was du soeben auf der Leinwand gesehen hast?«
Meine Schultern sackten nach unten. Mein ganzer Körper fiel in sich zusammen. Ich hatte nichts mehr zu sagen, und mir fielen keine Entschuldigungen mehr ein. Ich wollte einfach nur, dass das hier ein Ende hatte. Wollte wissen, welchen Ort man mir zuwies, und losmarschieren.
Sie sahen sich an und kommunizierten auf eine Weise, die mir nicht zugänglich war. Schließlich hatten sie sich offensichtlich
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