Riley Das Mädchen im Licht
weiß, dass ihr euch davor fürchtet, unbedeutend und unsichtbar zu sein – Niemande, von denen kein Mensch mehr weiß, dass sie jemals existiert haben. Und glaubt mir, ich weiß genau, was ihr empfindet, denn als ich noch lebte, hatte ich ebenfalls genau davor Angst. Ich verschwendete eine Menge Zeit damit – eigentlich mein ganzes Leben -, meiner älteren Schwester nachzustellen und zu versuchen, genau so zu sein wie sie. In meinen Augen war sie wichtig, enorm wichtig. Sie war hübsch und beliebt und, na ja, ein ganz besonderer Mensch. Und ich glaubte, wenn ich so wäre wie sie, sie ganz genau nachahmen würde, dann wäre ich auch etwas Besonderes. Aber in Wahrheit haben mich meine Versuche, so zu sein wie Ever, nicht zu einem wichtigen oder besonderen Menschen gemacht – ich war nur ein lästiges Anhängsel. Und vielleicht manchmal auch ein Quälgeist.«
Ich sah sie der Reihe nach an und hoffte, dass meine Worte allmählich irgendwie zu ihnen vordrangen. »Ich möchte euch damit sagen, dass ihr eine Wahl habt. Ihr könnt entweder hierbleiben und weiter die Leute zu Tode erschrecken oder ihr könnt an einen Ort umziehen, der, na ja …« Ich zögerte. Ich wollte nicht lügen und sagen, dass dieser Ort besser war, da ich wusste, dass das nicht wirklich der Wahrheit entsprach. Aber irgendwie musste ich ihn beschreiben. »Es ist ein neuer Ort. Und … anders . Dort ist alles viel aufregender als hier.« Ich deutete auf den Raum, der so verwüstet war, als hätte darin soeben ein Rugby Match stattgefunden. Und ich dachte an das Manifestieren, an die Strände, an die sich ständig verändernden, wunderschönen Landschaften im Hier und Jetzt und wusste, dass das zumindest wahr war. »Ich bin davon überzeugt, dass es euch dort gefallen wird. Ihr müsstet der Sache einfach nur eine Chance geben, das ist alles.« Nachdem ich das ausgesprochen hatte, fragte ich mich, ob der letzte Rat nicht auch auf mich zutraf.
»Aber wenn es uns dort nicht gefällt? Wenn wir dort ankommen und feststellen, dass wir es schrecklich finden und lieber wieder hier sein würden?«
Ich sah sie an und war versucht, sie zu belügen, um diese Sache endlich hinter mich zu bringen. Ich könnte ihnen vorlügen, dass sie die Erdebene nicht vermissen würden, kein kleines bisschen.
Aber das brachte ich nicht fertig.
Ich konnte sie nicht so hinters Licht führen.
Also sah ich ihnen nacheinander in die Augen. »Die Sache ist die, dass ihr es vermissen werdet. Ich befürchte, darum kommen wir nicht herum – das steht eigentlich schon fest. Aber, wenn ihr es richtig anstellt, dann könnt ihr zu Besuch zurückkommen. Ich meine, schaut mich an – ich bin hier, oder? Ganz zu schweigen von all den anderen, die vor mir hier waren, um euch zu holen. Also, was sagt ihr? Seid ihr bereit für ein Abenteuer? Bereit dazu, zur Abwechslung mal etwas anderes auszuprobieren?«
Sie wandten sich einander zu und berieten sich. Und sie ließen sich Zeit und gingen alles Punkt für Punkt durch, bevor sie sich wieder an mich wandten. Der Erdbeerkopf übernahm wieder die Führung. »Ist das der Zeitpunkt, an dem du das Licht erscheinen lässt?«, wollte er wissen.
Ich schüttelte lachend den Kopf. »Nein, du Dummerchen. Ich werde euch jetzt zur Brücke führen.«
SECHZEHN
H ätte ich wie die Geisterjägerin eine dieser Spezialkameras gehabt, hätte ich ein Bild von Bodhis Gesicht geschossen, als ich mit der ganzen Bande der (nicht wirklich strahlenden) Radiant Boys aus dem blauen Zimmer kam.
»Und was jetzt?«, fragte ich, während sich alle um mich scharten. Ich kniff die Augen zusammen und schüttelte den Kopf, als Buttercup auf mich zugerannt kam, mir die Finger ableckte und mich mit seinen großen braunen Augen ansah. Er bettelte mich an, ihm zu vergeben, dass er mich im Stich gelassen hatte, und wollte sich bei mir einschmeicheln.
»Wie bringen wir sie jetzt zur Brücke?«, fragte ich.
Aber Bodhi gab mir keine Antwort.
Er war einfach sprachlos.
Sein Blick wanderte zwischen den Jungs hin und her. Er zählte sie immer wieder und war offensichtlich jedes Mal von Neuem verblüfft, dass es tatsächlich drei waren.
»Wie hast du …« Er nahm seine Brille ab, rieb sich die Augen und blinzelte mehrmals, bevor er sie wieder aufsetzte und wieder zwinkerte.
»Das ist doch egal, wie ich es geschafft habe. Sag mir jetzt, wie ich diese Jungs zur Brücke bringen soll, bevor sie den Schwanz einziehen und kneifen«, erwiderte ich. Ich hatte nicht vor, ihm meine
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