Riley - Die Geisterjägerin - Noël, A: Riley - Die Geisterjägerin - N.N. 3 (nach "Radiance" - The Riley Series)
Vergangenheit feststeckte.
Ich wollte ihn nicht stören oder ihn aus seiner Trance reißen, also ließ ich meine Worte ganz langsam und vorsichtig von meinem in seinen Kopf gleiten, als ich in Gedanken formulierte: Erzähl es mir. Erzähl mir genau, was passiert ist und dich so hat werden lassen.
Und weil er war, was er war – oder zumindest, was er behauptete zu sein, nämlich der beste Regieassistent, den es im Traumland jemals gegeben hatte –, beschloss er, es mir nicht zu erzählen.
Stattdessen zeigte er es mir.
NEUNZEHN
D er Projektor surrte, während Satchel auf seine Tastatur einhämmerte. Und plötzlich befanden wir uns auf einem Volksfest – einer Art altertümlichem Jahrauf
Die Art, wo es Clowns, Zuckerwatte und dumme Spiele gab, die man für einen Penny spielen und dabei billige Preise gewinnen konnte.
Ich sah an mir herunter und stellte erstaunt fest, dass ich einen Flanellrock mit einem aufgenähten Pudel anhatte. Der Saum reichte fast bis zu den schwarz-weißen Schuhen an meinen Füßen. Dazu trug ich ein eng anliegendes Twinset mit einem dazu passenden Schal. Ich sah aus wie eine Darstellerin aus einer Sitcom der 1950er-Jahre.
Satchel trug dieselben Sachen wie im Aufnahmeraum, und mit seinen geleckten Haaren und dem bleichen, teigigen Teint passte er nicht einmal in diese Zeit. Im Vergleich zu den anderen Jungs mit ihren hochgekrempelten Jeans, den engen weißen T-Shirts und der sonnengebräunten Haut sah er richtig schräg aus. Er stach aus der Menge heraus wie ein merkwürdiger blasser Bestattungsunternehmer.
Ich stand etwas abseits, balancierte eine Wolke aus Zuckerwatte in der Hand und beobachtete, wie er neben seinen Eltern herlief. Und in dem Moment, in dem ich sie sah, wurde mir alles klar.
Und als sein Dad zu sprechen begann, wusste ich auch, woher diese merkwürdige Stimme stammte.
Ich ging dicht hinter ihnen und passte mich ihrem Tempo an. Dabei achtete ich sorgfältig darauf, mich unter die Menge zu mischen und nicht aufzufallen, während ich mich anstrengte, einige Gesprächsfetzen aufzuschnappen.
Seine Mutter schwieg, und der vage Ausdruck auf ihrem unglücklichen Gesicht deutete daraufhin, dass sie in Gedanken weit weg war. Sein Vater dagegen erklärte Satchel mit harter, autoritärer Stimme, warum er ihm nicht erlauben würde, in eines der Fahrgeschäfte zu steigen.
Ich schob mir einen Bausch Zuckerwatte in den Mund und runzelte die Stirn, während ich mir die kleinen kristallisierten Stückchen auf der Zunge zergehen ließ. Ich fragte mich, warum er sich überhaupt die Mühe machte, mit seinem Sohn zur Kirmes zu gehen, wenn dieser dort keinen Spaß haben durfte.
Doch schon bald begriff ich, dass es niemand anderen gab, mit dem Satchel hätte gehen können.
Satchel hatte keine Freunde.
In seinem Leben gab es nur seine Eltern, seine Schularbeiten und die drei Kirchenbesuche pro Woche. Und wenn er brav war – sehr, sehr brav –, dann erlaubten sie
ihm vielleicht, sich einen für Kinder geeigneten Kinofilm anzuschauen. Das waren Ausflüge, die ihm alles bedeuteten. Die Momente in einem abgedunkelten Kinosaal, in dem auf der Leinwand eine Geschichte lebendig wurde, waren die einzigen kleinen Vergnügen, die man ihm gestattete. Das war immerhin mehr, als man über seine Eltern sagen konnte. Ihr Leben schien überhaupt kein Vergnügen zu beinhalten.
Seine Mutter verbrachte viele Stunden am Bügelbrett und stärkte die Kragen und Ärmel der weißen Hemden, die Satchel zur Schule und sein Vater zur Arbeit trugen. Satchels Vater stand jeden Tag früh auf, duschte, zog sich an und aß eine Kleinigkeit, bevor er zur Arbeit ging. Satchel wusste nicht genau, was sein Vater machte, aber es hatte irgendetwas mit Zahlen zu tun.
»Zahlen sind eine sichere Sache – sie tragen nur ein geringes Risiko in sich«, pflegte sein Vater zu sagen. »Wenn du damit umzugehen verstehst, dann geht die Rechnung am Ende immer auf.«
Der Jahrmarkt war nur eine Woche in der Stadt, und alle Kinder in der Schule hatten darüber gesprochen. Natürlich hatte niemand ihm gegenüber etwas darüber erwähnt – Satchel hatte die Gespräche lediglich zufällig mitbekommen.
Er war zu eigenartig – zu unheimlich –, und er kam aus einer wirklich merkwürdigen, gruseligen Familie. Zumindest begründeten die meisten Kinder mit dieser Entschuldigung die Tatsache, dass sie ihn mieden.
Aber von dem Moment an, in dem Satchel auf einem der seltenen Ausflüge in die Stadt die Spitze des Riesenrads sah,
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