Rimbaud und die Dinge des Herzens: Roman (German Edition)
wunderbares Service auf. Auf jede Tasse war ein Miniaturwald gepinselt. Es war so supergut gemacht, dass man sich fragte, wie der Typ wohl so kleine Blätter hatte malen können. Monsieur Roland bestand darauf, dass ich eine Tasse Kaffee trank. Seine Frau war nicht so überzeugt, aber er sagte zu ihr, in meinem Alter hätte er mindestens einen Liter pro Tag getrunken. Ich glaube, es machte ihm Spaß, mich Erwachsenensachen picheln zu sehen.
»Er wird keinen Kaffee trinken, er hat doch schon Wein gehabt!«
»Eben drum, das bringt ihn wieder auf die Beine!«
»Machen Sie sich keine Gedanken, Madame Roland, ich mag Kaffee sehr gern.«
Noch dazu fing ich allmählich an, den Wein zu spüren. Mir war ein wenig schwindlig, und ich musste ständig den Wald anstarren, der auf die Tasse gemalt war, und an Kaspar Hauser denken.
Die Rolands beratschlagten, was sie im Fernsehen anschauen wollten. Madame Roland war für einen alten Film,der auf Kanal 5 lief, und Monsieur Roland für eine Reportage über Wale auf Kanal 3. Sie haben ganz schön miteinander gezetert. Monsieur Roland wollte nichts von dem Film wissen, den hatte er angeblich schon hundert Mal gesehen, und Madame Roland waren Wale und sonstiges Fischzeugs schnuppe.
Sie einigten sich schließlich auf den alten Film. Monsieur Roland maulte noch ein wenig vor sich hin, aber nicht sehr. Dann fragte er mich, ob ich den Film mit ihnen zusammen anschauen wollte. Seine Frau meinte jedoch, es wäre schon spät und meine Mutter würde sich bestimmt Sorgen machen. Ich antwortete, die läge sowieso im Koma, ich könnte schon noch ein bisschen bleiben. Und so einen alten Schinken würde ich mir gern mit ihnen anschauen.
Sie setzten sich aufs Sofa, und ich deckte den Tisch ab. Sie waren ganz aus dem Häuschen, weil ich so nett war. Ich selber war ja auch ganz aus dem Häuschen. Wenn man Sitzreihen aufgestellt und alle Leute, die ich kenne, daraufgesetzt hätte – ganz vorne natürlich meine Mutter –, dann hätte man mir garantiert applaudiert.
Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, hatten sie das Licht ausgemacht, man hätte meinen können, man wäre im Kino. Es sah aus, als würden sie das öfter so machen: Monsieur Roland saß im Sessel, und seine Frau hatte sich mit einer Wolldecke auf dem Sofa ausgestreckt.
Der Film hatte schon begonnen, und daher kann ich Ihnen den Titel nicht sagen. Es war ein Schwarzweißfilm,der vor einer Ewigkeit spielte, wie es schien. Grob gesagt ging es um eine Frau, die mit einem Offizier verheiratet war und sich in einen italienischen Baron verliebte. Ihre Liebe konnte aber nichts werden, weil der Offizier ein wahnsinnig mächtiger Mann war und die Jungs aus der Armee damals wie Stars behandelt wurden.
Der Offizier wollte sich den Baron vorknöpfen, doch der war nicht so scharf darauf. Angeblich, weil er Pazifist war, doch ich glaube eher, weil er ein Heuchler war. Jedenfalls ging er wieder zurück in sein Land.
Am Ende zerbricht die Frau an ihrem Kummer, und das ging uns doch ziemlich an die Nieren.
Der Film war ehrlich gesagt super, ich hätte mich wahrscheinlich ein bisschen geschämt, ihn zusammen mit meinen Kumpels anzuschauen, aber ich bin sicher, er hätte ihnen genauso gefallen.
Nach dem Abspann hat Monsieur Roland das Licht wieder angemacht, und da sah man, dass Madame Roland auf dem Sofa eingeschlafen war.
»Glauben Sie, dass sie schon lange eingeschlafen ist?«
»Oh, von Anfang an … Sie schläft gern hier ein … Kannst du mir helfen, sie ins Schlafzimmer zu bringen?«
Ich stand auf, um Monsieur Roland zu helfen. Mir war bloß nicht klar, wie ich ihm beim Tragen helfen sollte. Wir konnten sie ja schlecht an Armen und Beinen packen.
»Ich werde sie tragen, und du, Charly, machst mir die Türen auf.«
»Okay.«
Monsieur Roland hob seine Frau hoch, und ich staunte Bauklötze, dass er das in seinem Alter schaffte. Und selbst wenn sie nicht so schwer war, musste er Bärenkräfte haben. Ich ging voraus, und Monsieur Roland flüsterte mir zu, welche Tür ich öffnen sollte.
Im Zimmer angekommen, knipste ich eine kleine Lampe auf dem Nachttisch an.
»Schlag die Laken zurück, Charly.«
Monsieur Roland legte seine Frau ganz sanft aufs Bett. Man sah genau, dass er das oft machte. Er deckte sie zu und gab ihr ein Küsschen auf die Stirn. Ich sagte mir, dass ich sie jetzt wohl besser allein ließ.
Ich war schon an der Tür, als Madame Roland murmelte:
»Charly …«
Ich flüsterte auch:
»Was denn, Madame Roland?«
»Nimm eine
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