Ringwelt 05: Crashlander
Düsterkeit der Protosonne. Das Fenster war milchig, doch in meiner Einbildung sah ich das dunkelrote, verschwommene Gebilde ganz deutlich.
Den ganzen nächsten Tag über blieb die Strahlung konstant hoch. Ich las ein weiteres Mal sämtliche Meßwerte von den Instrumenten ab und untersuchte sowohl die Protosonne als auch ihren Planeten mit dem Tiefenradar. Wohin ich auch sah, eine Anomalie reihte sich an die andere.
»Dieser Stern dürfte definitiv noch nicht leuchten. Er ist noch viel zu wenig komprimiert. Das Gas ist zu dünn, um eine Fusion in Gang zu bringen.«
»Ist er denn heiß genug, um zu leuchten?«
»Sicher, aber das ist genauso merkwürdig.«
»Vielleicht sind unsere Theorien über Protosonnen fehlerhaft.«
»Dann müssen sie aber ein gewaltiges Stück danebenliegen.«
»Schreib’s auf.«
Eine Stunde später: »Elephant?«
»Was denn, noch mehr Anomalien?«
»Jepp.«
Seine Augen betrachteten mich unter dem struppigen Schopf hervor mit einem Blick, der mir bedeutete, daß es ihm allmählich reichte mit Eigenheiten.
»Nach dem Schatten auf dem Tiefenradar besitzt dieser Planet keinerlei Lithosphäre. Sieht aus, als wäre die gesamte Oberfläche bis hinunter auf den eigentlich flüssigen Kern abgeschliffen. Der Kern ist natürlich nicht flüssig, weil die Temperaturen hier draußen so niedrig sind.«
»Schreib’s auf. Wie viele Einträge hast du inzwischen?«
»Bis jetzt neun.«
»Ist einer davon vielleicht wert, daß man zweihunderttausend Kredits zahlt, um im Voraus Bescheid zu wissen?«
»Vielleicht die Strahlung«, antwortete ich, »zumindest, wenn wir keine General-Products-Zelle hätten.«
»Aber die Outsider wußten, daß wir eine General-Products-Zelle besitzen.« Elephant starrte hinaus auf die gewaltige dunkle Scheibe. »Beo, kann irgendetwas eine General-Products-Zelle durchdringen?«
»Licht. Ein Laser zum Beispiel. Gravitation. Gezeiten, die einen zerquetschen, wenn man einem Neutronenstern zu nahe kommt. Ein Aufprall würde der Hülle nichts ausmachen, aber er würde alle Insassen töten.«
»Vielleicht ist der Planet bewohnt? Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr neige ich zu der Annahme, daß er von außerhalb der Milchstraße kommt. In der Milchstraße konnte er unmöglich auf eine so große Geschwindigkeit kommen. Er bewegt sich durch die Ebene der Galaxis; wie hätte er vom Rand her in diese Richtung beschleunigen sollen?«
»Einverstanden. Was machen wir, wenn jemand aus Lasern das Feuer auf uns eröffnet?«
»Wir verschwinden, schätze ich. Ich habe reflektierende Farbe rings um das Lebenserhaltungssystem auftragen lassen, doch der gesamte Rest ist transparent.«
»Von hier aus können wir immer noch in den Hyperraum verschwinden. Das ändert sich erst in zwanzig Stunden. Danach sind wir zu nah am Planeten.«
Am Abend legte ich mich gleich ins Bett. Ich war hundemüde, trotz des Mangels an Kraftübungen. Stunden später wurde mir langsam bewußt, daß ich angestarrt wurde. Ich konnte es durch meine geschlossenen Augenlider hindurch spüren: die Hitze des riesigen, rotglühenden Funkelns, die gewaltige Größe des wütenden Auges, die schreckliche Macht des Bewußtseins, das dahinter lauerte. Ich versuchte, mich zu verkriechen, stieß mit der Hand gegen irgendetwas und erwachte in einer Art Schock.
Dort lag ich nun, umgeben von rotglühender Dunkelheit. Der Rand der Protosonne schimmerte durch eines der Fenster. Ich spürte die Feindseligkeit, mit der sie uns anstarrte.
Ich sagte: »Elephant?«
»Mngl?«
»Nichts, schon gut.« Morgen war früh genug.
Der nächste Morgen.
»Elephant, könntest du mir einen Gefallen tun?«
»Kein Problem. Willst du mit Dianna schlafen? Meinen rechten Arm? Soll ich mir den Bart abrasieren?«
»Danke, ich bleibe bei Sharrol. Zieh deinen Druckanzug an, ja?«
»In Ordnung, das ergibt Sinn. Es ist schließlich noch lange nicht ungemütlich genug, nur weil wir die Blase eingezogen haben.«
»Genau. Und weil ich ein leidenschaftlicher Masochist bin, werde ich meinen Anzug noch in dieser Sekunde anlegen. Und ich hasse es, mich allein zu vergnügen …«
»Du hast Schiß?«
»Ein wenig. Na ja, genug.«
»Also gut, weil wir Freunde sind. Du zuerst.«
Der Raum war zu beengt, als daß wir beide gleichzeitig die Druckanzüge hätten anlegen können. Ohne die offen stehende Innenluke der Luftschleuse hätten wir es nicht einmal nacheinander geschafft. Zuerst ließen wir die Helme nach hinten geklappt, doch sie störten
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