Ringwelt 11: Die Flotte der Puppenspieler
extreme Vorsicht geboten sei, wenn man Nachkommen hatte: »Das ist der Nachteil fortschrittlicher Medizin: Wir werden mit unserem Kind wirklich lange leben müssen.« Es war bedeutungslos, wie begierig Nessus darauf sein mochte, sich selbst daran zu versuchen, denn es gab in seinem Leben noch keinen aussichtsreichen Gefährten.
Aber das konnte sich ändern, wenn er hier erfolgreich wäre.
Jeder Bürger flüchtete rein instinktiv vor jeglicher Gefahr. Nessus selbst kannte diesen Reflex natürlich ebenfalls; zweifellos würde es Augenblicke geben, in denen er die Entscheidung bereute, die er jetzt verkünden wollte. Die Billionen Bewohner von Hearth konnten sich glücklich schätzen, dass Nessus und einige wenige andere in der Lage waren, diesem Impuls zu widerstehen.
Vielleicht lag es an der Aussicht, endlich einen Gefährten zu finden, wenn sie hier erfolgreich wären. Was auch immer der Grund sein mochte: Nessus wurde geradezu manisch. Einerseits kannte er dieses Gefühl bereits von seinen anderen Reisen, andererseits fühlte es sich sonderbar fremd an. Sie alle befanden sich in einer General-Products-Zelle, und derartige Zellen bestanden aus dem widerstandsfähigsten Material, das seiner (oder auch jeder anderen) Spezies bekannt war. Falls die Aliens von diesem Eismond nicht über ein schwarzes Loch oder große Mengen von Antimaterie verfügten, konnten sie Nessus und seiner Mannschaft unmöglich etwas antun. Nessus fühlte sich frei, er war geradezu übermütig und ausgelassen.
Nun blickte Nessus Omar mit den Augen beider Köpfe streng an. »Eigentlich bin ich der Ansicht, dass das Risiko akzeptabel ist, Omar. Alles, was wir hier bislang in Erfahrung gebracht haben, lässt vermuten, dass die Aliens nur über eine recht primitive Technologie verfügen. Ich denke, es ist recht ungefährlich. Wir sollten uns das näher ansehen.«
Eric trat gerade aus der winzigen Kombüse, als Kirsten eintraf. Er wartete noch ein wenig ab, während seine Schiffskameradin sich vom Synthesizer ein Glas Saft produzieren ließ.
Eric trug die gewagten Farben eines Mannes, mit denen er deutlich zur Schau stellte, dass er sich eine Frau und Kinder wünschte und bereit war, sich häuslich niederzulassen. Durchaus in Ordnung. Doch an Bord dieses Schiffes gab es nur Omar, der bereits eine Gefährtin gefunden hatte und nun Vater zweier Töchter war, Eric und eben Kirsten.
Sie trug ausschließlich Grau – noch dazu ein blasses Grau, um deutlich zu machen, dass sie derzeit an einer Beziehung nicht interessiert war. So hielt Kirsten es, seit die endgültige Mannschaft zusammengestellt worden war – bevor die Explorer NSW 4, ihre Heimatwelt, verlassen hatte. Hätte man Kirsten gefragt, so hätte sie als Erklärung nur eine Halbwahrheit gegeben: Ihr ganzer Fokus gelte ausschließlich dem Gelingen dieser Mission.
An diesem Tag waren die Farben, die Eric trug, bunter denn je: Sein Overall war sogar geradezu schmerzhaft giftgrün. Angesichts der Tatsache, dass Kirsten so beharrlich darauf hinwies, für eine Beziehung nicht zur Verfügung zu stehen, entsprach diese offene Zurschaustellung seines Interesses einem anzüglichen Grinsen. Er schaute Kirsten zu, während sie trank. »Du siehst sehr entspannt aus«, bemerkte er.
Seine Kleidung passte nicht zu seinen Worten, und Kirsten entschied sich, nur Letzteres zu beachten. ›Entspannt‹ war gewiss übertrieben ausgedrückt. Doch sie gab zu, dass sie erleichtert war. »Ich bin einfach nur froh, hier zu sein«, antwortete sie. Erleichtert darüber, überhaupt irgendwo zu sein, nur eben nicht im Hyperraum. Alleine schon an dieses Nichts zu denken machte Kirsten nervös. Nachdem sie jetzt ihr Ziel erreicht hatten, über eine Distanz von zehn Lichtjahren hinweg, stand es ihr da etwa nicht zu, erleichtert zu sein – und dabei auch der Ansicht, zumindest schon etwas erreicht zu haben?
»›Hier‹ wird eine ziemliche Enttäuschung sein«, sagte Eric.
»Dass du es geschafft hast, uns hierher zu bringen, und vielleicht auch wieder zurück nach Hause … das könnte vielleicht der Höhepunkt dieser ganzen Reise sein.«
Verspottete Eric sie? Sämtliche Avancen, die er ihr während des Trainings gemacht hatte, hatte sie abgewiesen – höflich, wie sie dachte. Über das Thema hatte sie nie auch nur ein Wort verloren. Allein schon ihre Art, sich zu kleiden, und dazu ihre Körpersprache hatten ihr Desinteresse offen gezeigt. Schon immer hatte sie sein Verhalten ihr gegenüber, wann immer sie beide
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