Ripley Under Ground
weißlichen Flecken vernebelt, so daß der Zuschauer das Feuer nicht sofort wahrnahm; doch wenn man es erkannte, war die emotionale Wirkung außerordentlich stark. Das Bild war acht oder neun Jahre alt. Tom liebte beide Bilder, und wenn er sie jetzt betrachtete, so fiel ihm nicht immer gleich ein, daß das eine echt und das andere eine Fälschung war.
Tom dachte an die wirre Zeit von damals, an die frühen Tage der heutigen Firma Derwatt Ltd. Er hatte Jeffrey Constant und Bernard Tufts in London kennengelernt, bald nachdem Derwatt in Griechenland ertrunken war oder, wie man annahm, sich das Leben genommen hatte. Tom war gerade selber erst aus Griechenland zurückgekommen; es war kurz nach Dickie.Greenleafs Tod. Derwatts Leiche war nie gefunden worden, doch die Fischer aus dem Dorf hatten berichtet, sie hätten ihn eines Morgens zum Schwimmen gehen, aber nicht zurückkommen sehen. Derwatts Freunde, zu denen auch Cynthia Gradnor gehörte – Tom hatte sie ebenfalls damals kennengelernt –, waren ganz verstört gewesen: so tief betroffen, wie Tom es selbst in einer Familie nach einem Todesfall nie erlebt hatte. Jeff, Ed, Cynthia und Bernard: alle vier waren eine Zeitlang ganz benommen, sie sprachen verträumt und leidenschaftlich von Derwatt, nicht nur als Künstler, sondern als Freund und Menschen.
Er hatte in Islington gewohnt, sehr einfach, hatte zuweilen kärglich gegessen, doch war stets andern gegenüber großzügig. Die Kinder in der Nachbarschaft hatten ihn geliebt, sie hatten ihm Modell gesessen, ohne Bezahlung zu erwarten, aber er hatte stets in die Taschen gelangt und ihnen seine vielleicht letzten Pennies gegeben. Bevor er dann nach Griechenland ging, hatte er eine große Enttäuschung erlitten. Er hatte im Auftrag der Behörden für ein Postamt in Nordengland ein Wandgemälde hergestellt. Der Entwurf war auch akzeptiert worden, doch als das Bild fertig war, wurde es zurückgewiesen: eine Figur darin war nackt, oder allzu nackt, und Derwatt hatte sich geweigert, es zu ändern. »Und das war selbstverständlich sein gutes Recht«, hatten die getreuen Freunde Tom beteuert. Diese Weigerung bedeutete für Derwatt einen Verlust von tausend Pfund, mit denen er gerechnet hatte. Offenbar war es zudem der Tropfen, der ein Faß voller Enttäuschungen zum Überlaufen brachte; das hatten die Freunde nicht erkannt, und darum machten sie sich Vorwürfe. Auch eine Frau spielte dabei eine Rolle; sie hatte ihm, wie sich Tom undeutlich erinnerte, eine weitere Enttäuschung bereitet, die jedoch nicht so schwer wog wie die Rückschläge in der Arbeit. Seine Freunde – ebenfalls alles Intellektuelle – waren meist freiberuflich und sehr angestrengt tätig; und als Derwatt an den letzten Abenden bei ihnen erschien – nicht um sich Geld zu leihen, nur um nicht allein zu sein –, da hatte keiner Zeit für ihn gehabt. Ohne Wissen seiner Freunde hatte Derwatt dann die paar Möbel aus seinem Atelier verkauft und sich nach Griechenland aufgemacht, und von dort aus hatte er einen langen und recht deprimierten Brief (den Tom nie gesehen hatte) an Bernard geschrieben. Wenig später war dann die Nachricht von seinem Tod oder Verschwinden gefolgt.
Das erste, was daraufhin alle seine Freunde – auch Cynthia – unternahmen, war, daß sie seine sämtlichen Gemälde und Zeichnungen einsammelten und sie zu verkaufen versuchten. Sie wollten seinen Namen am Leben erhalten; die Welt sollte wissen und anerkennen, was er geleistet hatte. Derwatt hatte keine Familie; Tom entsann sich: er war ein Findelkind gewesen, niemand kannte seine Eltern. Die Nachricht von seinem tragischen Tod wirkte bei den Bemühungen der Freunde nicht hindernd, sondern förderlich. Normalerweise interessierten sich die Kunsthäuser wenig für Werke von jungen unbekannten Künstlern, die nicht mehr am Leben waren; doch Edmund Banbury, ein freier Journalist, hatte sein Talent und seine Verbindungen in den Dienst der Sache gestellt und Berichte in Zeitungen, Farbbeilagen und Kunstblättern geschrieben, und Jeffrey Constant hatte dazu Fotos von Derwatts Bildern geliefert. Wenige Monate nach Derwatts Tod hatten sie ein Kunsthaus, die Galerie Buckmaster, und noch dazu in der Bond Street, gefunden, die bereit war, sich Derwatts anzunehmen, und bald wurden seine Gemälde für sechs- und achthundert Pfund verkauft.
Und dann kam es, wie es kommen mußte. Fast alle Bilder waren verkauft. Das war die Zeit, als Tom in London lebte – er hatte zwei Jahre lang in der Nähe des Eaton
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