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Ripley Under Water

Ripley Under Water

Titel: Ripley Under Water Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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ausreichend eingewiesen. Ein bißchen Geld konnte nicht schaden: Tom zückte die Brieftasche und gab ihm zwei Hundertfrancscheine.
    »Für den Anfang, Henri. Und behalten Sie alles im Auge«, fügte er hinzu. Tom wollte ins Haus zurückkehren, doch Henri machte keine Anstalten zu gehen. So war er immer, drückte sich am Rand des Gartens herum, hob einen Zweig vom Boden auf, trat einen Stein weg, um schließlich wortlos davonzuschlurfen. » Au revoir, Henri!« Tom drehte sich um und ging zum Haus. Als er sich umsah, stand der Riese am Komposthaufen, vermutlich bereit für eine weitere Attacke mit der Forke.
    Tom ging nach oben, wusch sich die Hände in seinem Bad und blätterte dann im Sessel zur Entspannung Reiseprospekte über Marokko durch: Die zehn, zwölf Fotos zeigten blaue Mosaike im Innern einer Moschee, fünf Kanonen am Rand einer Klippe, einen Markt mit aufgehängten, grellbunt gestreiften Decken, eine blonde Touristin in einem Nichts von Bikini, die ein rosa Handtuch auf gelbem Sand ausbreitete. Der Stadtplan von Tanger auf der Rückseite des Prospekts war stark vereinfacht und klar verständlich, hellblau und dunkelblau, der Strand gelb, der Hafen zwei Arme, die schützend in das Mittelmeer hinausragten, in die Straße von Gibraltar. Tom suchte nach der Rue de la Liberté, in der das Hotel El Minzah lag, und fand sie auch – anscheinend war der Grand Socco oder Große Markt von dort aus zu Fuß zu erreichen.
    Das Telefon klingelte. Ein Apparat stand neben Toms Bett. »Ich gehe dran!« rief er die Treppe hinunter. Héloïse übte noch immer ihren Schubert am Cembalo. »Hallo?«
    » Hi, Tom. Hier Reeves«, sagte Minot. Die Verbindung war gut.
    »Sind Sie in Hamburg?«
    »Natürlich. Ich glaube – nun, Héloïse hat Ihnen wahrscheinlich erzählt, daß ich schon einmal angerufen habe?«
    »Ja, hat sie. Alles in Ordnung?«
    »Sicher«, erwiderte Reeves gelassen. »Die Sache ist die: Ich würde Ihnen gern etwas per Post schicken. Ist nicht größer als eine Kassette. Ehrlich gesagt…«
    Ist es eine Kassette, dachte Tom.
    »Und hochgehen kann das Ding auch nicht«, fuhr Reeves fort. »Wenn Sie die Sendung rund fünf Tage lang zurückhalten und dann an eine Adresse schicken könnten, die ich mit in den Umschlag stecke…?«
    Tom zögerte, leicht verärgert, wußte aber, daß er den Auftrag erledigen würde, weil auch Reeves ihm stets einen Gefallen tat, wenn er selber etwas brauchte – einen neuen Paß für irgendwen, ein Zimmer für eine Nacht in Minots großer Wohnung. Der Mann half umgehend und kostenlos. »Ich würde gern ja sagen, alter Freund, aber in ein paar Tagen fliegen Héloïse und ich nach Tanger. Von dort reisen wir weiter.«
    »Tanger – wie schön! Wenn ich’s per Eilbrief schicke, reicht die Zeit. Kann sein, daß es morgen schon eintrifft. Kein Problem, ich schick’s heute noch los. Und Sie senden das Ding dann in vier, fünf Tagen weiter, wo Sie auch sein mögen.«
    Wohl noch in Tanger, dachte Tom. »Okay, Reeves. Im Prinzip geht das klar.« Unbewußt hatte er leise gesprochen, als könnte sie jemand belauschen, dabei saß Héloïse noch unten am Cembalo. »Das wird Tanger sein. Trauen Sie der Post dort? Man hat mich gewarnt, sie wäre so langsam.«
    Minot antwortete mit dem trockenen Lachen, das Tom so gut kannte. » Die Satanischen Verse sind da nicht drauf. Bitte, Tom!«
    »Na gut. Was ist es dann?«
    »Sag ich nicht. Noch nicht. Wiegt keine dreißig Gramm.«
    Gleich danach legten sie auf. Tom fragte sich, ob der Empfänger die Sendung an einen weiteren Mittelsmann würde schicken müssen. Minot hatte schon immer die (vielleicht von ihm stammende) These vertreten, durch je mehr Hände ein Gegenstand gehe, desto sicherer sei er. Im Grunde war er ein Hehler, und er liebte seine Arbeit. Hehlerei – was für ein Wort! Eigentlich gab Minot nur den Hehler, was den Charme des Scheinbaren für ihn hatte, wie Versteckspiele für Kinder. Tom mußte zugeben, daß Minot bislang erfolgreich gewesen war. Er arbeitete allein; zumindest wohnte er allein in seinem Altonaer Apartment, hatte eine Bombe überlebt, die in der Wohnung hochgegangen war, und auch den Zwischenfall, was immer es gewesen war, dem er die zehn Zentimeter lange Narbe auf seiner rechten Wange verdankte.
    Zurück zu den Prospekten. Als nächstes Casablanca; rund zehn Broschüren lagen auf dem Bett. Tom dachte an die Zustellung des Eilbriefs: Unterschreiben mußte er dafür sicher nicht, denn Reeves schickte höchst ungern etwas als

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