Ripley’s Game oder Der amerikanische Freund
Reeperbahn herum, tut so, als ob ihn das Spielen dorthin zieht, tut so, als ob er als Weinprüfer arbeitet. Ich bin sicher, er hat einen Kumpan in dieser – wie auch immer so eine Weinfirma hier heißt. Jeden Nachmittag geht er in die Firma, aber jeden Abend ist er in irgendeinem privaten Casino, setzt ein bißchen und sieht, wer so da ist. Vormittags schläft er, weil er die ganze Nacht auf den Beinen ist. Der Punkt ist der – :« – Wister setzte sich auf – »Jeden Nachmittag fährt er mit der U-Bahn nach Hause, in seine Mietwohnung. Gemietet für sechs Monate, solange sein Arbeitsvertrag mit der Weinfirma läuft, damit alles nach außen seine Richtigkeit hat. – Greifen Sie doch zu!«
Wister reichte ihm die Platte, als habe er die Schnittchen eben erst bemerkt.
Jonathan nahm eines mit Zungenwurst. Dazu gab es Weißkohlsalat und saure Gurken.
»Jedenfalls steigt er jeden Tag gegen Viertel nach sechs an der U-Bahn-Station Steinstraße aus, und zwar allein. Wirkt wie ein ganz gewöhnlicher Geschäftsmann, ein höherer Angestellter, der aus dem Büro kommt. Genau dann wollen wir ihn erwischen.« Wister legte die Hände auf den [86] Tisch, die knochigen Finger gespreizt. »Der Schütze feuert nur einmal, wenn er ihn mitten in den Rücken trifft, notfalls auch zweimal, um sicherzugehen, läßt die Waffe fallen – und bingo ! Ich glaube, ihr Engländer sagt ›Bob’s your uncle‹, nicht?«
Die Redensart war ihm tatsächlich vertraut, aus einer fernen, ganz fernen Vergangenheit. »Wenn die Sache so einfach ist, wieso dann ich?« Jonathan rang sich ein Lächeln ab. »Gelinde gesagt, ich bin ein Amateur. Ich würd’s verbocken.«
Wister schien nur halb hingehört zu haben. »Kann sein, daß man die Leute in der U-Bahn-Station festhält. Jedenfalls einen Teil, wer weiß, dreißig oder vierzig vielleicht. Wenn die Polizei schnell genug da ist. Die Station ist riesig, sie liegt unter dem Hauptbahnhof. Vielleicht sieht sie sich die Leute kurz an. Aber selbst wenn, was kann Ihnen schon passieren?« Wister zuckte die Achseln. »Die Kanone haben Sie fallen gelassen. Über der Schußhand haben Sie einen dünnen Damenstrumpf getragen, auch den haben Sie kurz nach dem Schuß fallen gelassen. Keine Schmauchspuren am Körper, kein Fingerabdruck auf der Waffe. Keine Verbindung zwischen Ihnen und dem Toten. Ach, aber soweit wird’s gar nicht kommen. Ein Blick auf Ihren französischen Personalausweis, dazu der bestätigte Termin bei Dr. Wentzel, und Sie sind aus dem Schneider. Worauf es mir, nein uns ankommt: Wir wollen keinen Mann mit Verbindungen zu uns oder den Clubs…«
Jonathan hörte nur zu, sagte aber nichts. Am Tag der Tat würde er in ein Hotel ziehen müssen, er durfte dann nicht mehr Wisters Gast sein; schließlich könnte ihn ein [87] Beamter fragen, wo er in Hamburg wohne. Und was war mit Karl und der Haushaltshilfe? Wußten sie etwas über die Sache? Konnte er ihnen vertrauen? Das alles war völlig absurd. Er verkniff sich ein Lächeln.
»Sie sind müde«, stellte Wister fest. »Soll Gaby Ihnen Ihr Zimmer zeigen? Ihr Koffer ist schon dort.«
Eine Viertelstunde später, nach einer heißen Dusche, stand Jonathan im Pyjama am Fenster, das zur Straße hinausging, wie die beiden Fenster des Wohnzimmers auch, und sah hinaus auf das Wasser, auf die Lichter am Ufer vor dem Haus und die roten und grünen Positionsleuchten vertäuter Segelboote. Das Wasser wirkte weit, dunkel und friedlich. Der Strahl eines Suchscheinwerfers wanderte schützend über den Himmel. Sein Bett war fast breit genug für zwei und ordentlich aufgeschlagen. Auf dem Nachttisch standen ein Glas mit Wasser, oder jedenfalls einer klaren Flüssigkeit, und ein Aschenbecher; daneben lagen eine Schachtel Gitanes maïs , seine Marke, und Streichhölzer. Jonathan nahm einen kleinen Schluck: Es war tatsächlich Wasser.
[88] 6
Jonathan saß auf der Bettkante und nippte am Kaffee, den Gaby gerade gebracht hatte. Genau so mochte er ihn, stark mit einem Schuß Sahne. Gegen sieben war er aufgewacht, dann noch einmal eingeschlafen, bis Wister um halb elf an die Tür geklopft hatte.
»Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Freut mich, daß Sie gut geschlafen haben«, sagte Wister. »Gaby bringt Ihnen gleich einen Kaffee. Oder hätten Sie lieber Tee?«
Dann sagte er noch, er habe für Jonathan ein Zimmer im zentral gelegenen Hotel Viktoria reserviert. Vor dem Mittagessen würden sie hinfahren. Jonathan dankte ihm. Das Hotel wurde nicht mehr
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