Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)
Bestimmungsort zu erreichen,
2. Kraftstoff für unvorhergesehenen Mehrverbrauch ( contingency fuel ), zum Beispiel fünf Prozent des Streckenkraftstoffs, um Fehler bei der Berechnung des Streckenkraftstoffs etwa infolge falscher Windvorhersagen auszugleichen,
3. Ausweichkraftstoff ( alternate fuel ), um eine Schleife zu fliegen und einen anderen Flughafen anzusteuern,
4. Endreserve ( final reserve ), um 30 Minuten über dem Ausweichflughafen kreisen zu können, und
5. Extra-Kraftstoff ( extra fuel ) nach Einschätzung der Besatzung, um für Ausnahmesituationen wie extreme Wetterverhältnisse gewappnet zu sein.
Diese Sicherheitsmengen bei der Kraftstoffbetankung kosten die Lufthansa Geld, weil zusätzliches Gewicht höheren Kraftstoffverbrauch bedeutet. Auf einem Langstreckenflug werden rund 30 Prozent des Kraftstoffs für den Transport des Kraftstoffs aufgewendet. Sicherheitsmaßnahmen sind ein Aspekt einer Fehlerkultur, das Informieren über tatsächliche Fehler ein anderer. Schwerwiegende Fehler werden von denen berichtet, die sie begangen haben, und von einer Sondergruppe dokumentiert, die mit den Piloten spricht und die Informationen an die ganze Gemeinschaft weitergibt. Das ermöglicht den Piloten, aus den Fehlern anderer zu lernen. Obwohl der Sicherheitsstandard bereits außerordentlich hoch ist, werden ständig Anstrengungen unternommen, die Unfallzahlen weiter zu senken, so beispielsweise im US -amerikanischen Luftfahrtprogramm System Think , bei dem alle Beteiligten – Piloten, Mechaniker, Fluglotsen, Hersteller, Fluggesellschaften und Flugaufsichtsbehörde – sich zusammensetzen, um Fehler zu diskutieren und zu lernen, wie das Fliegen noch sicherer werden kann.
In Krankenhäusern gibt es nichts, was auch nur von fern an diese Maßnahmen erinnert. Die Fehlerkultur in der Medizin ist überwiegend negativ; institutionalisierte Berichtssysteme zu kritischen Zwischenfällen sind selten. Angesichts drohender Schadenersatzprozesse ist die Medizin vorwiegend defensiv: Ärzte sehen Patienten als potenzielle Kläger, und Fehler werden infolgedessen oft verheimlicht. Auf nationaler Ebene gibt es kaum systematische Auswertungen von Fehlern, anhand derer man lernen könnte – wie in der Luftfahrt. Daher ist die Patientensicherheit in Krankenhäusern – anders als die Sicherheit der Passagiere in Flugzeugen – ein großes Problem. Das US -amerikanische Institute of Medicine ( IOM ) schätzt, dass rund 44000 bis 98000 Patienten jedes Jahr in US -amerikanischen Krankenhäusern durch vermeidbare Kunstfehler sterben. In Deutschland sind es etwa 17000. 52 Halten wir fest, dass das nur die dokumentierten Fälle sind.
Geben wir der Statistik ein paar Gesichter. Der achtjährige Ben Kolb starb während eines geringfügigen Eingriffs wegen einer Arzneimittelverwechslung. Die neunzehnjährige Jasmine Grant kam mit ihrem ersten Kind in die Wehen und bekam irrtümlich ein Epiduralanästhetikum injiziert. Zwanzig Minuten später erlitt sie einen epileptischen Anfall und konnte nicht wiederbelebt werden. Die Medizinjournalistin Betsy Lehman vom Boston Globe starb während der Chemotherapie an einer Überdosis. Dem Diabetiker Willie King wurde das falsche Bein amputiert. 53 Solche Fehler kommen selbst in den besten US -amerikanischen Krankenhäusern häufig vor, und ihre Zahl hat im Laufe der Jahre zugenommen. Laut WHO -Bericht erleidet jeder zehnte Patient Schaden an seiner Gesundheit, während er in technisch hochgerüsteten Krankenhäusern behandelt wird. 54 Über die weitaus umfangreichere medizinische Versorgung außerhalb von Krankenhäusern ist wenig bekannt. Eine negative Fehlerkultur führt zu mehr Fehlern, weniger Sicherheit und geringerem Interesse an wirksamen Sicherheitsmaßnahmen. Um den Leiter des Risikomanagements einer internationalen Fluggesellschaft zu zitieren: »Hätten wir die Sicherheitskultur eines Krankenhauses, wir hätten zwei Abstürze pro Tag.«
Warum verwenden Piloten Checklisten, aber die meisten Ärzte keine?
In der Anfangszeit der Luftfahrt konnte ein Pilot ein Flugzeug ohne viel Technik fliegen. Checklisten wurden in der U.S. Air Force erst eingeführt, nachdem sich gezeigt hatte, dass der B-17-Bomber zu viel Flugzeug für einen einzelnen Piloten war. Als 2009 beim US -Airways-Flug 1549, wie oben geschildert, gleich nach dem Start von LaGuardia beide Turbinen ausfielen, gingen die Piloten die Checkliste für Turbinenausfall und Neustartversuche durch, während die Flugbegleiter ihre
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