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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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Kontrastmittel erforderlich sind, wird am Arm ein Zugang für die Infusion gelegt. Der ganze Vorgang dauert 15 bis 90 Minuten und kostet in der Regel zwischen 500 und 1500 Euro.
    Die Alternative ist eine Untersuchung am Krankenbett – die kundige Ärzte schon lange vor Erfindung der MRT vornahmen. Sie erfordert gut ausgebildete Ärzte. Die HINTS -Untersuchung besteht aus drei Tests und lässt sich in einer Minute durchführen. Es gibt keine Wartezeit, kein Unbehagen, keine Infusion. HINTS heißt sie, weil sie aus drei Tests besteht: Head Impulse (Kopf-Impuls), Nystagmus (Augenzittern) und Test of Skew (Test auf »Vertikalschielen«). Beim Kopf-Impuls-Test beispielsweise fixiert der Patient die Nasenspitze des Arztes. Dieser dreht den Kopf des Patienten rasch zur Seite. Die normale Reaktion auf die rasche Kopfbewegung ist eine entsprechende entgegengesetzte Augenbewegung, die dem Patienten ermöglicht, das Ziel im Blick zu behalten. Abnorm ist die Reaktion, wenn der Patient während der Bewegung nicht in der Lage ist, die Augen auf die Nase des Untersuchers gerichtet zu halten – das heißt, wenn er nach Beendigung der Kopfbewegung den Blick korrigieren muss.
    In einer Studie an 101 Patienten einer Hochrisikogruppe mit akutem Vestibularsyndrom wurde die Diagnose sowohl mittels MRT als auch mithilfe der HINTS -Untersuchung gestellt. 170 Während die MRT bei acht von 76 Patienten den Schlaganfall nicht erkannte, wurden mittels HINTS alle Fälle entdeckt und keiner übersehen. Die Untersuchung am Krankenbett verursachte einen falschen Alarm bei 25 Patienten ohne Schlaganfall, was ohne Zweifel der weniger schädliche Fehler ist. Diese einfache Untersuchung war bei der Diagnose eines gefährlichen Schlaganfalls entschieden erfolgreicher als das kostspielige bildgebende Verfahren.
    Wie steht es mit CT -Scans? Die erfassen noch weit weniger Schlaganfälle als MRT s, führen zu mehr Fehldiagnosen und sind infolge der Strahlung potenziell schädlich für den Patienten. Eine einfache Untersuchung am Krankenbett kann sicherer für den Patienten sein und gleichzeitig Zeit und Geld sparen. Und schließlich kann sie weltweit angewandt werden, nicht zuletzt in Entwicklungsländern. Weniger ist mehr.
    Ottawa Ankle Rules
    Ein Mann verletzt sich beim Joggen den Knöchel. Er wird rasch in die Notaufnahme des nächsten Krankenhauses gefahren. Es könnte ein Bruch sein. Um das festzustellen, werden die meisten Patienten mit einem verstauchten Knöchel geröntgt, obwohl nur einer von sieben Patienten tatsächlich einen Bruch hat; die anderen erhalten eine unnötige Strahlendosis. 171 Gibt es eine Alternative zu diesen pauschalen Röntgenuntersuchungen? Ein Ärzteteam am Ottawa Hospital hat eine Reihe von einfachen Regeln entwickelt, mit deren Anwendung sich ein Bruch ausschließen lässt: die Ottawa Ankle Rules . Dabei wird überprüft, ob der Patient vier Schritte gehen kann (Abbildung 9.5). Hat er keine Schmerzen in der Malleolarregion (dem Abschnitt über dem Mittelfuß), ist keine Röntgenaufnahme erforderlich. Andernfalls ist zu fragen, ob der laterale Malleolus schmerzt, entweder an der dorsalen Kante oder an der Spitze. Falls ja, ist eine Röntgenaufnahme erforderlich. Falls nicht, ist die gleiche Frage im Hinblick auf den medialen Malleolus zu stellen. Abermals gilt: Wenn er schmerzt, ist eine Röntgenaufnahme erforderlich. Die letzte Frage lautet: Ist der Verletzte unfähig, das eigene Gewicht vier Schritte zu tragen? Wenn ja, ist ein Röntgenbild erforderlich, sonst nicht.

    Abbildung 9.5: Einfache Regeln für eine sicherere Gesundheitsversorgung. Wenn ein Patient einen verstauchten Knöchel hat, ermöglichen die Ottawa Ankle Rules dem Arzt eine fundierte Entscheidung darüber, ob der Patient eine Röntgenaufnahme benötigt. Der Test ist effizient: Der Patient geht vier Schritte und beantwortet bis zu vier Fragen, in denen es um Schmerzen und Knochenempfindlichkeit geht. Die Regel gehört zur Klasse der effizienten Entscheidungsbäume und hilft, Knochenbrüche zu erkennen und wahlloses Röntgen zu vermeiden.
    Diese Regel ist schnell und einfach. Sie ist schnell, weil sie von dem Patienten nur verlangt, vier Schritte zu machen, und sie ist einfach, weil eine Entscheidung schon nach der ersten oder zweiten Frage getroffen werden kann. Damit ist sie ein Beispiel für eine weit umfassende Kategorie von Heuristiken: die effizienten Entscheidungsbäume. 172 Das sind keine vollständigen Bäume mit allen denkbaren Informationsästen,

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