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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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Tamiflu offenzulegen – was das Unternehmen seit Jahren verweigerte –, hatten dieselben Regierungen plötzlich taube Ohren. Wir werden dieses Missverhältnis nur korrigieren können, wenn möglichst viele Menschen nicht mehr einfach tun, was ihre Regierungen oder Ärzte ihnen sagen, sondern einen kritischen Blick auf die Evidenz und auf die Verwendung ihrer Steuergelder werfen. Informiert sein und seine Meinung sagen sind wichtige Schritte in Richtung einer partizipatorischen Demokratie.
    248 Bomlitz und Brezis 2008.

Teil III
Früh in den Startlöchern
    Eine neue wissenschaftliche Wahrheit pflegt sich nicht in der Weise durchzusetzen, dass ihre Gegner überzeugt werden und sich als belehrt erklären, sondern vielmehr dadurch, dass ihre Gegner allmählich aussterben und dass die heranwachsende Generation von vornherein mit der Wahrheit vertraut gemacht ist .
    Max Planck
    Die interessantesten Auskünfte stammen von Kindern, denn sie erzählen alles, was sie wissen, und dann hören sie auf.
    Mark Twain

Kapitel 12
Die Schule revolutionieren
    Immer wenn die Menschen gut informiert sind, können sie mit einer eigenen Regierung betraut werden.
    Thomas Jefferson
    Tilly Smith, ein zehnjähriges englisches Schulmädchen, lag 2004 mit ihren Eltern am Strand von Phuket. Plötzlich zog sich das Wasser zurück. Die Boote begannen auf den Wellen zu tanzen. Während andere Touristen zu den Fischen liefen, die auf dem Sand zappelten, sagte sie: »Mummy, wir müssen sofort vom Strand verschwinden. Ich glaube, es gibt einen Tsunami.« Kurz vor den Ferien hatte Tilly in Erdkunde einen Videofilm über einen Tsunami auf Hawaii gesehen und die Warnzeichen gelernt. Die Eltern nahmen die Warnung des kleinen Mädchens ernst, empfahlen den anderen, sich ebenfalls in Sicherheit zu bringen, und informierten das Hotelpersonal, das den Strand evakuierte. Tillys Strand gehörte zu den wenigen in Phuket, auf denen niemand getötet oder ernsthaft verletzt wurde. 249
    Milliarden werden in die Entwicklung von Tsunamiwarnsystemen gesteckt, was zu begrüßen ist. Aber Technik allein hilft nicht. Das größte je gemessene Erdbeben – mit der Stärke 9,5 – ereignete sich im Mai 1960 vor der Küste Chiles. Es erzeugte eine riesige Tsunamiwelle, die auf Hawaii zuraste. Dort funktionierte die Technik wie geplant: Das automatische Warnsystem wurde ausgelöst, und Stunden bevor die Insel erreicht wurde, heulten die Tsunamisirenen auf. Doch die meisten Menschen, die die Sirenen hörten, wussten nicht genau, was der Lärm bedeutete, und brachten sich nicht in Sicherheit. An diesem Tag starben auf Hawaii 61 Menschen. Die Technik hat nur begrenzten Wert, wenn die Menschen sie nicht verstehen. Ein risikokompetentes Kind kann genauso wirksam sein wie ein ausgeklügeltes Warnsystem.
    Im Oktober 2009 erschien in der Zeitschrift Nature ein vierseitiger Bericht mit dem Titel »Risk School«. Dort wurden meine Vorstellungen zu allgemeiner Risikokompetenz verglichen mit der vorherrschenden paternalistischen Auffassung, dass Menschen mit dem Verständnis von Risiken im Grunde genommen hoffnungslos überfordert seien und deshalb einen Tritt in Richtung des gewünschten Verhaltens brauchten. 250 Ich habe nichts gegen einen kleinen Anstoß, aber als Philosophie des 21. Jahrhunderts ist dies ein beunruhigendes Programm. Wir wollen keine künftigen Generationen, die ihr Leben nur bewältigen können, solange sie von anderen gezogen und gestoßen werden. Unsere Kinder haben Besseres verdient.
    Die moderne Technik bringt unvermeidlich neue Risiken mit sich. Warnend weisen Soziologen darauf hin, dass wir in einer »Risikogesellschaft« leben und von den Gefahren bedroht sind, die eben durch diese Zunahme des Wissens geschaffen werden. 251 Doch neue Technologie birgt nicht nur Gefahren, sondern eröffnet auch Chancen. Anstelle von Lamentos brauchen wir eine neue Generation von Menschen, die mit diesen Gefahren umgehen können. Kurzum, nicht die »Risikogesellschaft«, sondern die »risikokompetente Gesellschaft« ist unsere Zukunft.
    Risikokompetenz lehren
    Vor Jahrhunderten konnte sich kaum jemand eine Gesellschaft vorstellen, in der fast jeder lesen und schreiben kann. Solche Gesellschaften gibt es inzwischen. Heute können sich nur wenige eine Gesellschaft vorstellen, in der fast jeder risikokompetent ist. Auch solche Gesellschaften wird es bald geben, wenn wir uns dafür einsetzen. Um dahin zu kommen, müssen wir lange vor dem Abitur oder Studium beginnen. Selbst kleine

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