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Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition)

Titel: Risiko: Wie man die richtigen Entscheidungen trifft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Gigerenzer
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Kinder können Risiken und Wahrscheinlichkeiten verstehen, wenn man sie ihnen spielerisch vermittelt. Früherziehung in Risikokompetenz wird wesentlich dazu beitragen, dass eine neue Generation lernt, mit den Ungewissheiten des Lebens umzugehen, und dass der Paternalismus zu einem Gespenst der Vergangenheit wird.
    Das Curriculum der Risikokompetenz, das ich mir wünsche, umfasst drei Themen und drei Kategorien von Fertigkeiten. Die drei Themen sind:
    – Gesundheitskompetenz
    – Finanzkompetenz
    – Digitale Risikokompetenz
    Drei Fertigkeiten sind zur Beherrschung jedes Themas erforderlich:
    – Statistisches Denken
    – Faustregeln
    – Die Psychologie des Risikos
    Beim statistischen Denken geht es um quantitative Intelligenz, etwa um das Verständnis von Regenwahrscheinlichkeiten, bei Faustregeln um gute Entscheidungen in einer ungewissen Welt und bei der Psychologie des Risikos um die emotionalen und sozialen Kräfte, die unser Verhalten, seien wir allein, seien wir in Gruppen, beeinflussen. Die drei Fertigkeiten sollten nicht abstrakt gelehrt, sondern als Werkzeuge zur alltäglichen Problemlösung vermittelt werden, etwa im Umgang mit Gesundheit, Geld und digitalen Medien. Guter Unterricht beginnt mit Geschichten, die motivieren und einen Bezug zum Leben der Kinder herstellen. Erst später kann man zu abstrakten Prinzipien übergehen.
    Wie wird der Erfolg aussehen? Zunächst einmal weniger Fettleibigkeit, Krebs und andere Gesundheitsprobleme. Die neue Generation wird auch besser mit Geld umzugehen wissen und sich nicht mehr astronomische Handyrechnungen und Kreditkartenschulden aufhalsen. Und sie wird in der Lage sein, digitale Medien zu verwenden und zu kontrollieren, statt von ihnen kontrolliert zu werden. Mit diesen Fähigkeiten werden die Kinder zu mündigen Bürgern heranwachsen, die es gewöhnt sind, Fragen zu stellen und die Verantwortung für ihre Entscheidungen zu übernehmen.
    Ist das nur ein naiver Traum im Elfenbeinturm? Nehmen wir als Beispiel eine der schwierigsten statistischen Aufgaben, die sogenannte Bayes-Inferenz, der wir schon einige Male begegnet sind.
    Viertklässler schaffen es
    Sind Kinder in der Lage, Aufgaben zu bewältigen, an denen Ärzte gescheitert sind? Als ich behauptete, sie würden es können, wenn man ihnen die Informationen in Form von natürlichen Häufigkeiten gäbe, fanden einige Lehrer den Gedanken lächerlich. Kinder, die zehn Jahre oder jünger sind, haben schließlich ja noch keine Relationen oder Prozentsätze kennengelernt. Ähnlich ungläubig äußerte sich eine Pädagogikprofessorin und verlangte mit Nachdruck, wir dürften Kinder in der vierten Klasse keinem solchen Test unterziehen. Sie seien viel zu jung, um so schwierige Aufgaben zu lösen.
    Doch Erzieher unterschätzen manchmal, was ihre Schüler leisten können. Natürlich macht es wenig Sinn, die Kinder nach genetischen Screening-Tests zu fragen, weil ihnen das Thema fremd ist und sie im Umgang mit dreistelligen Zahlen ungeübt sind. Stattdessen machte es uns viel Spaß, uns Aufgaben auszudenken, die die kindliche Fantasie fesseln konnten, etwa solche, bei denen es um Zauberei geht. Wir stellten 176 Zweit- und Viertklässlern aus Berliner Schulen, Mädchen und Jungen, sechs Aufgaben in Form von natürlichen Häufigkeiten und unter Verwendung von Bildzeichen (Abbildung 12.1). 252 Eine dieser Aufgaben lautete:
    Die Ravenclaw-Zauberschule
    • Von je 20 Schülern in der Ravenclaw-Zauberschule haben fünf einen Zauberstab.
    • Von diesen fünf Schülern tragen vier auch einen Zauberhut.
    • Von den übrigen 15 ohne Zauberstab tragen zwölf auch einen Zauberhut.
    Stell dir eine Gruppe von Schülern der Ravenclaw-Schule vor, die einen Zauberhut tragen. Hier sind zwei Fragen.
    1. Gibt es mehr mit einem Zauberstab?
    1. Eher ja.
    1. Eher nein.
    2. Wie viele mit einem Zauberhut haben auch einen Zauberstab? ____ von ____

    Abbildung 12.1: Natürliche Häufigkeiten lassen sich durch Zahlen (siehe Text) oder durch Icons – Bildzeichen – darstellen. Kindern und weniger zahlengeübten Erwachsenen können Icons beim Erkennen der Lösung helfen.
    Die erste Frage ist die leichtere. Von den Zweitklässlern wählten 88 Prozent die richtige Antwort »Eher nein«. Von den Viertklässlern gaben praktisch alle (96 Prozent) die richtige Antwort. Die zweite Frage ist schwieriger und verlangt quantitatives Denken. Bei genauerem Hinsehen werden Sie erkennen, dass es eine Frage von genau der Art ist, wie sie nur wenige Ärzte

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