Riskante Geschäfte
schottisch? War er walisisch?
Nun wurde es aber Zeit, gleiche Bedingungen zu schaffen! Die blaue Pfeilspitze wirkte einfach zu tödlich! Bond sagte gelassen: »Wenn Sie Pfeil und Bogen weglegen, will ich's Ihnen gern sagen, Robina.«
»Sie schwören mir, nicht zu schießen?«
»Aber natürlich. Nur, machen wir um Himmels willen, daß wir hier wegkommen, so mitten im freien Feld!« Und ohne abzuwarten, begann Bond weiterzukriechen. Er mußte jetzt die Initiative behalten. Wer immer dieses Mädchen sein mochte, es galt, sie rasch und unauffällig loszuwerden, ehe die Schießerei begann. Als ob man nicht schon genug zu beachten hätte! Am Baumstamm angelangt, stand Bond vorsichtig auf und warf einen Blick durch das rote Blattgewirr. Jetzt waren schon fast alle Rolläden hochgezogen. Zwei farbige Mädchen deckten gemächlich den großen Frühstückstisch im Patio. Die Sicht von hier aus war so gut wie erwartet. Bond nahm Gewehr und Provianttasche ab und setzte sich, den Rücken an den Stamm gelehnt. Auch das Mädchen kam jetzt aus der Wiese und trat unter den Ahorn, hielt aber Abstand. Noch immer lag der Pfeil an der Sehne, doch war der Bogen nicht mehr gespannt. Mißtrauisch maß man einander.
Das Mädchen, obgleich in Jagdhemd und Hosen, glich einer schönen, zerrauften Dryade. Die olivgrünen, zerknitterten Hosen waren schlammbespritzt und zerrissen, das hellblonde Haar war mit einem Band hochgebunden und mit Grasbüscheln getarnt. Das Gesicht mit dem breiten, sinnlichen Mund, den hohen Backenknochen und den grauen, verächtlich blickenden Augen war von wilder, animalischer Schönheit. Die Unterarme wiesen blutige Kratzspuren auf, ebenso die eine Wange, die überdies leicht geschwollen schien und einen blauen Fleck hatte. Über die linke Schulter ragten die Metallfedern der Pfeile aus dem Köcher. Außer dem Bogen trug sie nur noch ein Jagdmesser im Gürtel, und an der anderen Seite eine braune Segeltuchtasche. Bond gefiel das Mädchen ausnehmend, und er lächelte ihr zu.
Leise und beruhigend sagte er: »Sie sind wohl Robina Hood? James Bond mein Name.« Er griff nach der Flasche, schraubte den Verschluß ab und hielt sie ihr hin. »Setzen Sie sich her und nehmen Sie einen Schluck! Feuerwasser mit Kaffee! Rauchfleisch habe ich auch - oder leben Sie von Tau und Beeren?« Sie kam bis auf einen Meter heran, kauerte sich nieder, griff nach der Flasche und tat einen kräftigen Zug.
Mit einem mürrischen »Danke« gab sie sie zurück, nahm ihren Pfeil und steckte ihn über die Schulter zu den anderen. Ohne den Blick von Bond zu wenden, sagte sie: »Sie sind wohl ein Wilderer? Die Abschußzeit für Hirsche beginnt erst in drei Wochen - aber hier unten gibt's gar keine, nur nachts kommen sie so tief herunter.«
»Sie sind doch nicht nur zur Jagd hier? Kann ich Ihren Jagdschein sehen?«
Widerspruchslos zog sie den Schein aus der einen ihrer zuknöpfbaren Brusttaschen und reichte ihn Bond. Er war in Bennington, Vermont, ausgestellt und lautete auf Judy
Havelock. Die Arten der Jagd waren vorgedruckt. Abgehakt waren »Jagd für Auswärtige« und »Pfeil und Bogen für Auswärtige«. Preis $18.50, zahlbar an Jagd- und Fischereibehörde Montpelier, Vermont. Alter der Inhaberin fünfundzwanzig, Geburtsort Jamaika. Allmächtiger! dachte Bond. Er gab ihr den Schein zurück. Das war es also! Von Sympathie und Respekt erfüllt, sagte er: »Sie sind mir vielleicht ein Mädel, Judy! Von Jamaika bis hierher! Und nur mit Pfeil und Bogen wollen Sie ihn erledigen! Sie kennen doch sicher das chinesische Sprichwort: Ehe du Rache nimmst, grabe zwei Gräber! Haben Sie das getan, oder rechnen Sie auf Erfolg?«
Das Mädchen starrte ihn an. »Wer sind Sie? Was tun Sie hier? Was wissen Sie darüber?«
Bond überlegte. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma war, sich mit ihr zu verbünden. Resignierend sagte er: »Sie kennen jetzt meinen Namen. Ich komme aus London - im Auftrag von Scotland Yard. Ich weiß, warum Sie hier sind, denn ich bin selbst hier, um es diesen Leuten heimzuzahlen. In London fürchtet man nämlich, der Kerl da unten könnte Sie wegen Ihres Besitzes unter Druck setzen, und anders ist er nicht davon abzuhalten.« Erbittert sagte sie: »Vor drei Wochen haben sie mein Lieblingspony vergiftet. Dann erschossen sie meinen Schäferhund, den ich selbst großgezogen hatte. Als nächstes schickten sie einen Drohbrief und verlangten meine Einwilligungserklärung in einem Zeitungsinserat. Die Polizei bot mir zwar ihren Schutz an, aber
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