Riskante Geschäfte
Bevollmächtigter beim Alliierten
Vernehmungszentrum in München. Dort arbeitete er pro forma sechs Monate lang. Dazwischen holte er seine Goldbarren ab und bewahrte sie in einem abgeschabten Koffer in seinem Quartier auf. Zweimal flog er zu einem Wochenendurlaub nach England, und jedesmal nahm er in einer prall gefüllten Aktenmappe einen der Barren mit. Nur mit Hilfe von zwei Benzedrin-Tabletten und einem eisernen Willen brachte er es fertig, in München und Northolt die Gangway zu passieren und seine Aktenmappe so zu handhaben, als enthielte sie nur Papiere. Aber dann lagen schließlich die Goldbarren sicher im Keller seiner Tante in Kensington. Er konnte sich in aller Ruhe der nächsten Phase seines Planes widmen.
Er reichte sein Abschiedsgesuch bei den Royal Marines ein, musterte ab und heiratete eins der vielen Mädchen vom MOBHauptquartier, mit denen er geschlafen hatte, eine charmante Blondine namens Mary Parnell aus gutbürgerlicher Familie. Mit einem der ersten Bananendampfer segelten sie von Avonmouth nach Kingston auf Jamaika. Sie waren beide der Überzeugung, daß sie dort ein Paradies ewiger Sonne, guten Essens und billiger Getränke vorfinden würden - den Himmel auf Erden im Vergleich zum Nachkriegs-England mit Lebensmittelkarten, Einschränkungen und einer Labour-Regierung. Vor der Abreise zeigte Major Smythe Mary die Goldbarren. Die Prägestempel der Reichsbank hatte er allerdings vorher weggefeilt.
»Liebling, ich habe es besonders schlau angestellt«, sagte er. »Da ich dem Pfund nicht mehr so recht traue, habe ich alle Wertpapiere verkauft und den Erlös in Gold angelegt. Wenn ich es richtig unterbringe, sind das mehr als zwanzigtausend Pfund. Wir müßten recht gut leben können, wenn wir nur ab und zu eine Scheibe davon abschneiden und verkaufen.« Mary Parnell kannte sich mit den Spitzfindigkeiten der geltenden Devisengesetze nicht so genau aus. Sie kniete nieder und streichelte liebevoll das kühle Metall. Dann erhob sie sich, schlang Major Smythe die Arme um den Hals und kißte ihn. »Du bist wirklich ein wunderbarer Mann«, sagte sie, den Tränen nahe. »Schrecklich klug und hübsch und tapfer und nun auch noch reich dazu. Ich bin das glücklichste Mädchen auf der ganzen Welt.«
»Na ja, reich sind wir zumindest«, sagte Major Smythe. »Aber du mußt mir versprechen, nie ein Wort darüber zu verlieren, sonst haben wir sämtliche Diebe Jamaikas auf dem Hals. Versprichst du mir das?«
»Hoch und heilig!«
Der Prince Club in den Hügeln oberhalb von Kingston war wirklich ein Paradies. Nette Leute, großartige Dienstboten, reichliches Essen und billige Getränke, dazu die üppige Szenerie der Tropen, die ihnen beiden fremd war. Sie wurden rasch beliebt. Major Smythes Verdienste während des Krieges verschafften ihm Zutritt zur besseren Gesellschaft. Danach war ihr Dasein eine endlose Kette von Partys, Tennis für Mary und Golf für Major Smythe - natürlich mit den echten Henry-Cotton-
Golfschlägern! Abends spielte sie Bridge, er Poker. Ja, es war schon das Paradies auf Erden, während zu Hause in England die Leute trockene Kartoffeln mampften, sich mit dem Schwarzmarkt herumschlugen, die Regierung verfluchten und unter dem härtesten Winter seit dreißig Jahren litten. Zunächst bestritt das Ehepaar Smythe sämtliche Ausgaben aus den gemeinsamen Ersparnissen, die durch Frontdienstzulagen ganz schön angewachsen waren. Major Smythe zog ein ganzes Jahr lang vorsichtige Erkundigungen ein, ehe er sich entschloß, mit den ehrenwerten Gebrüdern Fu, Import und Export, ins Geschäft zu kommen.
Die hochgeachteten und immens reichen Gebrüder Fu bildeten anerkanntermaßen die Regierung der blühenden chinesischen Kolonie von Kingston. Gerüchte besagten zwar, daß nach gut chinesischem Brauch ein Teil ihrer Transaktionen nicht ganz astrein war, aber die von Major Smythe mit pedantischer Beiläufigkeit eingeholten Erkundigungen besagten, sie seien absolut vertrauenswürdig.
Inzwischen war zur Kontrolle des international geltenden Goldpreises die Bretton Woods Convention unterschrieben worden; es sprach sich allgemein herum, daß die beiden Freihäfen Tanger und Macao aus verschiedenen Gründen dem Netz der Bretton-Woods-Bestimmungen entschlüpft waren. Während auf der ganzen übrigen Welt für die Unze Feingold fünfunddreißig Dollar bezahlt wurden, konnte man in Tanger oder Macao bei einigem Geschick mindestens hundert Dollar erhalten. Es traf sich gut, daß die Gebrüder
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