Riskante Versuchung
und anders als Florida.“
„Ich war nie in Montana“, erwiderte sie. „Sie etwa?“
Er bejahte, ohne näher darauf einzugehen. Sie stellte eine weitere persönliche Frage, die er knapp beantwortete. Offenbar war er nur bereit, über oberflächliche Dinge zu sprechen, nicht über sich. Aber dann rückte er zu ihrer Überraschung doch noch mit ein paar privaten Informationen heraus. „Ich habe ungefähr anderthalb Jahre an der Westküste gelebt.“
„Dann kommen Sie tatsächlich von überallher“, meinte Jess. „Wo sind Sie aufgewachsen?“
Sein Lächeln erstarb, dennoch sah er sie unverwandt an. In seinen Augen war jetzt noch etwas anderes zu lesen. Wachsamkeit? Vorsicht? Warum sollte eine Frage zu seiner Kindheit ihn beunruhigen?
„Jersey“, erwiderte er schließlich, und als wisse er selbst, dass er auch diesmal viel zu vage war, fügte er hinzu: „In der Nähe von New York City.“
„Ehrlich? Wo genau?“
„Auf der anderen Seite des Hudson River.“
So viel zu ihrer Frage, wo genau. „Lebt Ihre Familie noch dort?“
„Ich habe keine Angehörigen.“ Weiterhin schaute er sie unverwandt an.
„Das tut mir leid“, murmelte sie.
„Mir nicht.“ Er sagte das so gelassen daher, dass sie einen Moment brauchte, um seine Worte zu verarbeiten. Wie konnte er es nicht bedauern, keine Familie zu haben?
Ihr erster Gedanke war, dass er seine ganze Familie ermordet hatte und nun unter falschem Namen lebte, weshalb er nicht verraten wollte, wo er aufgewachsen war. Doris wäre stolz auf sie. Natürlich war das lächerlich. Oder?
Es war jedoch nicht zu leugnen, dass der Mann ganz offenkundig etwas zu verbergen hatte. Oder war er einfach ein verschlossener Mensch, der gegenüber einer Fremden nicht gern über persönliche Dinge sprach?
Rob blickte Jess über den Tisch hinweg an. Misstrauisch beobachtete sie ihn. Ihm war bewusst, dass er sie nervös machte, ihre Augen verrieten es. Aber er erkannte auch, dass sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Es knisterte unbestreitbar zwischen ihnen. Und zwar heftig.
Ohne den geringsten Zweifel wusste er, dass sie die Hand nicht wegreißen würde, wenn er seine jetzt auf ihre legte. Und er konnte sich sehr gut ausmalen, wohin diese eine Berührung führen würde. Das war das Problem.
Schnell stand Rob auf. „Ich sollte gehen. Danke für den Eistee.“
Jess erhob sich ebenfalls. „Kommen Sie ruhig jederzeit vorbei“, bot sie an. „Kelsey und ich sind abends meistens zu Hause.“ Sie schob die Hände in die Taschen ihrer Jeansshorts, eine rührend nervöse Geste, die einen weiteren Zentimeter ihres flachen gebräunten Bauches entblößte. „Wir sind jetzt Nachbarn, und ich hoffe, wir werden auch Freunde.“
Freunde. Rob fasste nach dem Griff der Fliegengittertür. Er und die schöne Jess Baxter würden Freunde werden. Unwillkürlich fragte er sich, wie sehr sie denn mit ihm befreundet sein wollte.
Verdammt, er hätte hier nicht einziehen dürfen. Für Jess wäre es besser gewesen, wenn er weit, weit entfernt eine Wohnung genommen hätte. Denn ihm war absolut klar, dass er nicht imstande sein würde, ihr zu widerstehen. Wenn er ihr Verhalten richtig deutete und sie sich tatsächlich zu ihm hingezogen fühlte, würde er keine Chance haben, auf Distanz zu bleiben. Sollte sie auch nur den kleinsten Versuch unternehmen, ihn zu verführen, würde er sofort kapitulieren. Er war zwar stark, doch so stark nun auch wieder nicht. Und in was für eine Situation würde ihn das bringen? In welche Lage würde es Jess bringen?
Rob trat hinaus auf die Veranda und schloss die Tür hinter sich. „Noch mal danke.“
Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern machte sich gleich auf den Weg zu seiner Wohnungstür am anderen Ende der Veranda.
Er mochte Jess mehr, als er sich je vorgestellt hätte. Es hatte nichts mit der körperlichen Anziehung zu tun, dass er sie ständig ansehen musste, sondern mit ihrem freundlichen Lächeln, der netten Unterhaltung und Jess’ lockerer, positiver Lebenseinstellung.
Ja, er mochte sie, und er hatte an diesem Abend erkannt, dass auch sie sich zu ihm hingezogen fühlte. Deshalb sollte er auf der Stelle verschwinden - um ihretwillen. Er sollte in seinen Wagen steigen und einfach davonfahren.
Jess spülte die Eisteegläser aus und räumte sie in die Spülmaschine. Sie fühlte eine seltsame Unruhe in sich. Insgeheim hatte sie sich vorgenommen, ein paar Fakten über ihren geheimnisvollen Mieter herauszukriegen, doch alles, was sie nun hatte, waren
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