Riskante Versuchung
das war ein Unfall.“
„Auf diese Weise fängt es an“, erklärte Rob. „Eine versehentliche Verbrennung, ein versehentlicher Schnitt.“ Seine Stimme klang härter, rau vor unterdrückten Emotionen. „Ein versehentlicher Fausthieb.“
Ungläubig starrte Jess ihn an.
„Ich finde, Sie sollten eine gerichtliche Verfügung erwirken“, fuhr er fort. Seine Augen hinter den Brillengläsern blickten beinah kalt. „Was, wenn er hier auftaucht und ich nicht da bin? Was, wenn er beim nächsten Mal ‚aus Versehen‘ Kelsey wehtut?“
Jess war geschockt. „Auch wenn er sich nie groß um Kelsey gekümmert hat, würde er ihr doch niemals wehtun“, protestierte sie. „Er ist schließlich ihr Vater.“
Rob lachte bitter. „Ich bitte Sie. Sie haben keine Ahnung, was ein Vater einem Kind antun kann.“
„Aber Sie schon, oder?“, fragte sie, ehe ihr klar wurde, was er da sagte.
Seine Miene veränderte sich, als sei er sich plötzlich der Tatsache bewusst geworden, dass er zu viel preisgegeben hatte. Eine Vielzahl von Emotionen spiegelte sich in seinem Gesicht wider. Nervös schaute er zur Wohnungstür, und Jess wusste, dass er am liebsten vor dieser Unterhaltung geflohen wäre.
Aber er ging nicht, sondern sah ihr ins Gesicht und antwortete einfach: „Ja.“
Mit einem Mal begriff Jess, dass sie und Kelsey ihm wichtig waren - wichtig genug, um zu riskieren, etwas aus seiner Vergangenheit zu offenbaren, die er ansonsten peinlich genau unter Verschluss hielt.
Sein Vater hatte ihn misshandelt. Für Jess gab es daran keinen Zweifel.
„Auch das hat mit versehentlichen Unfällen angefangen“, meinte Rob leise. „Sie hatten Glück, rechtzeitig aus Ihrer Beziehung rauszukommen. Diese Möglichkeit hatte ich nicht.“
Jess‘ Augen füllten sich mit Tränen, während er sich aufrichtete.
„Überlegen Sie sich lieber, ob Sie nicht doch eine Unterlassungsverfügung erwirken“, sagte er noch einmal und beendete die Unterhaltung, indem er sein Apartment betrat.
Er brachte das Thema danach nicht wieder zur Sprache, doch Jess konnte diesen winzigen Einblick, den er ihr gewährt hatte, nicht vergessen. Sie war überzeugt davon, dass er ihr nur deshalb davon erzählt hatte, weil er Kelsey vor einem ähnlichen Schicksal bewahren wollte.
Obwohl er sich dieses eine Mal geöffnet hatte, wahrte er weiter Distanz. Er blieb niemals, nachdem Kelsey im Bett war.
Eigenartigerweise schien sich Kelseys Schlafenszeit neuerdings immer weiter nach hinten zu verschieben.
Jess war sich nicht sicher, ob sie froh oder beleidigt sein sollte, dass Rob sie noch nicht gebeten hatte, mit ihm auszugehen. Immerhin bemerkte sie jedes Mal, wenn sie ihm in die Augen schaute, diese auf Gegenseitigkeit beruhende Anziehung. Ein bisschen gefiel es ihr auch, dass er nicht mit der Tür ins Haus fiel. Es war gentlemanlike und romantisch. Jedenfalls war das mal etwas anderes.
Dann wieder fand sie es unglaublich frustrierend, denn in ihren Träumen erlebte sie heiße, erotische Szenen mit ihrem neuen Nachbarn - da küsste er sie leidenschaftlich und streichelte sie zärtlich, da schmiegten sich ihre nackten Körper aneinander und vereinigten sich …
Die traurige Realität sah jedoch so aus, dass Jess sich glücklich schätzen konnte, wenn Rob bis nach dem Abendessen blieb und „Candy Land“ mit ihnen spielte.
Kopfschüttelnd ging Jess hinaus auf die Veranda. Sie konnte Rob und Kelsey sehen, wie sie auf dem Boden hockten und die Köpfe zusammensteckten, während sie etwas in der einen Ecke des Gartens untersuchten.
Als Jess die Verandastufen hinunterstieg, schaute Rob auf. Für einen kurzen Moment bemerkte sie wildes Verlangen in seinem Blick aufflackern. Doch es war so rasch wieder verschwunden, dass sie sich fragte, ob sie es sich nur eingebildet hatte. Ihr Mund war jedenfalls plötzlich so trocken, dass sie sich die Lippen befeuchten musste, ehe sie sprechen konnte.
„Hallo.“ Das war geradezu brillant. Kein Zweifel, er war von ihrer Redegewandtheit sicher zu beeindruckt, um darauf etwas zu erwidern.
Immerhin lächelte er, offenbar nicht eingeschüchtert, erhob sich und klopfte sich die Hände ab. „Hey.“
„Wir haben einen Wurm gefunden“, informierte Kelsey sie. „Aber der ist schon ganz vertrocknet und eklig.“
„Kelsey, bitte mach dich …“ Jess seufzte, da ihre Tochter ihre matschigen Hände an ihrem sauberen T-Shirt abwischte. „… nicht so dreckig.“ Sie warf Rob einen gespielt bestürzten Blick zu. „Zu
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