Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
Wahrheit und Sinn, Lüge und Unsinn zusammenfallen.
Der einzige Ersatz für eine Lüge besteht in einer solchen Welt natürlich darin, so verworren, so unsinnig zu reden, daß man sich nicht verständlich machen kann.
Normale Konversation, Geplauder, spielen sich auf diesem Planeten so ab, daß die Einwohner aus mitgebrachten Lederbeuteln eine Menge von winzigen Gegenständen hervorholen: Glaskugeln, verschiedenfarbige Steinchen, schön polierte Holzstäbe, und sie munter miteinander tauschen.
Der Preis der Wahrheit ist hoch. Von allen wirklich hoch entwickelten Zivilisationen im Bereich der alten Zentralsonnen im Mittelpunkt der Milchstraße gibt es keine, die so isoliert lebt wie diese.
An Astronomie ist natürlich nicht zu denken. Man redet nicht von Galaxien, wenn man sie bewegen muß, um sie zu benennen. Schon der Begriff »Planet« ist natürlich ganz unvorstellbar.
Diese Wesen leben in einer rötlichen Ebene, die von hohen Bergen gesäumt ist.
Für die Ebene selbst, die theoretisch dasselbe ist wie »die Welt«, haben sie selbstverständlich keinen Begriff.
(Das blaue Buch IV:4)
Als die Schmerzen vor vierzehn Tagen aufhörten, war das für mich die Rückkehr in eine Art ursprüngliches Paradies. Aber die Voraussetzung dafür war der Schmerz. Er war eine Form der Wahrheit.
Also das Gegenteil von Onkel Sunes »alles nur die gleiche Scheiße«.
Jetzt könnte man wieder so etwas wie Werte aufbauen.
(Das blaue Buch IV:8)
Alles ging gut. Die Verwandten kamen am Dienstag, hatten mehr Kinder dabei, als ich befürchtet hatte, belegten das ganze Haus, jedes Fleckchen, mit Schlafsäcken, Decken und provisorischem Kram.
Sie meinten, ich sähe ein wenig blaß aus, die Frauen fanden das Haus ein bißchen verkommen, zu viele Kaffeetassen mit diesem unmöglichen Bodensatz. Es ging trotzdem gut.
Niemandem fiel etwas Ungewöhnliches auf.
Sie blieben einen Tag kürzer, als ich befürchtet hatte. Möglicherweise hatte ich eine kindische Angst davor, daß die Schmerzen wieder beginnen würden, nur weil sie da waren.
Es geschah nichts anderes, als daß ich ein wenig müde wurde.
Ich merke, daß ich es nicht mehr mag, in meinen Gewohnheiten gestört zu werden. Am Mittwoch kamen beispielsweise die beiden kleinen Buben vorbei, erschraken über den ganzen Trubel im Häuschen. Ich sah sie scheu hinter dem Zaun verschwinden.
Und ich habe es nicht einmal geschafft, ein neues Kapitel für ihre Horrorgeschichte zu schreiben.
Ich hatte mir natürlich vorgestellt, daß diese schrekliche Orgel, die durch Ultraschall Schmerzen erzeugt, im nächsten Kapitel in die Luft gesprengt werden sollte; es würde sich zeigen, daß diese Flöte sehr bemerkenswerte Eigenschaften hatte. Sie würde imstande sein, den ganzen Spuk wegzuspielen.
Jetzt muß ich es für eine Weile ruhen lassen. Hoffentlich kommen sie wieder. Sie sind ja sozusagen das einzige literarische Publikum, das ich habe.
Ich spürte immerzu eine Art Neugier auf die Reaktionen der Manngårdhs, wagte aber nicht so viele Fragen zu stellen, wie ich eigentlich gewollt hätte.
Betrachten sie mich als einen ganz normalen Verwandten, bei dem man übernachtet, statt Geld für ein teures Hotel auf dem Weg nach Sälen rauszuschmeißen, oder halten sie es für ihre Pflicht, bei mir vorbeizuschauen? Mir wurde klar, daß es schon sehr lange her ist, seit ich mich wirklich darum geschert habe, was die Umwelt von mir denkt.
Ich habe nichts wirklich Asoziales daran entdecken können, außer daß ich den üblichen Lebensstandard nicht mehr beanspruche. Ich lebe ohne jegliches Einkommen, was sehr leicht ist, da ich auch keine Ausgaben habe.
Jan und ich redeten über alte Bekannte. Wir kamen auf Troäng zu sprechen. Er kannte ihn ja, da er bei der Provinzialregierung in Västerås mit ähnlichen Dingen befaßt war. Dieser ganze Skandal mit den Leukämiefällen im nördlichen Västmanland und mit dieser Sonderkommission für Umweltschutz.
Weder Manngårdh noch ich hatten die geringste Ahnung, was er zur Zeit treibt. Vor einem Jahr gab es irgendein Gerücht, er habe sich der Bruderschaft vom Heiligen Kreuz in Barkarö angeschlossen, aber das ist natürlich ein Gerücht, das in einer Situation wie seiner einfach aufkommen muß. Es fällt mir schwer, ihn mir als einen strengen, asketischen Ordensbruder vorzustellen. Im Gegensatz zu mir, der ich tatsächlich immer schon ein recht asketischer Typ gewesen bin, war er ziemlich sinnlich veranlagt.
Das zeigte sich
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