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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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Ich bin viermal zum Laden gefahren und habe eingekauft.
    Dann war es vielleicht doch nichts so Schlimmes? Ein Nierenstein? Nierengrieß, der abgegangen ist? Die Symptome stimmen eigentlich ganz gut mit Nierenkoliken überein.
    Übrigens werden sie zu den stärksten Schmerzen gerechnet, die es gibt. Stärker als die Schmerzen bei der Entbindung, steht in einer alten Nummer des Scientific American .
    Ich habe mich entschlossen, noch eine Woche zu warten, bevor ich zu hoffen beginne.
    (Das gelbe Buch III:32)

 
     
     
    Als ich selbst noch klein oder in diesem Alter war: der seltsame, etwas muffige Schweißgeruch der Turnhalle ganz oben unter dem Dach, die Sprossenwände, das Gefühl, Dinge tun zu wollen, für die man nicht genug Kraft hatte, gleichzeitig Mann und Knabe zu sein. Und dieser gleichsam vegetative Halbschlaf während der Unterrichtsstunden damals in der Vorpubertät, wie man dasaß und eigentümliche Spiele mit seinen eigenen Fingern spielte, sie auf verschiedene Arten ineinanderzuflechten versuchte, als sitze man in seinem eigenen Gehirn und flechte darin herum: um seine Labyrinthe zu verstehen.
    Ich habe lange geglaubt, dieser sonderbare, schläfrige Zustand habe etwas mit der Eintönigkeit der Schule zu tun, aber das stimmte wohl nicht.
    Ich erlebe jetzt wieder dasselbe: Es ist, als sei die Vitalität gebremst, als bereite sie sich auf eine große Veränderung vor.
    In meinem Fall ist das so, weil ich eine Krankheitskrise hinter mir habe.
    Die eigentümliche, stille Wehmut des Knabenalters.
    So werde ich dieses Alter wohl aufs neue durchleben müssen.
    (Das gelbe Buch III:33)

 
     
     
    4
    Zwischenspiel

 
     
     
    – – –
    (dreiunddreißig Tage lang überhaupt keine Aufzeichnungen)
     
    6. April. Die Schmerzen lassen nach. Nur eine Leere.
    (Das beschädigte Notizbuch IX)

 
     
     
    8. April. Den ganzen Tag über war das Gebell eines Hundes zu hören, der in dieser Gegend neu sein muß. Es kommt von Süden her, ungeheuer klagend und eintönig. Ob er vielleicht angekettet ist?
    Mein Problem: Obwohl ich überhaupt keine Schmerzen mehr habe, quält mich jetzt dafür etwas anderes; ich beginne zu hoffen, und zugleich wage ich nicht zu hoffen, aus lauter Angst, es könnte jederzeit wiederkommen.
    Ich denke sehr viel über eine Sache nach: Das Bezirkskrankenhaus hat seit diesem Brief, den ich verbrannt habe, kein Wort mehr von sich hören lassen. Wenn es wirklich Krebs gewesen wäre, hätten sie sich logischerweise wieder gemeldet, als sie nichts von mir hörten; es ist doch klar, daß sie ihre Patienten im Auge behalten. Also war es eine Bagatelle, irgendeine Entzündung. Eine Bauchfellentzündung?
    Aber wenn sie mich nun einfach verschlampt haben?
    Ich habe begonnen, den Briefkasten zu meiden.
    (Das gelbe Buch IV:1)

 
     
     
    9. April. Das Hoffen ist fast ebenso schwierig wie das andere. Aber man ist mehr daran gewöhnt, zu hoffen und zu fürchten, als sich mitten in dem zu befinden, was man erhofft oder gefürchtet hat.
    Was ich gelernt habe: daß es keinen wirklichen Ausweg aus dem Leben gibt.
    Man kann die Entscheidung nur hinausschieben, mit Geschick und List. Aber es führt kein Weg hinaus. Es ist ein total geschlossenes System, und am Ausgang ist nur der Tod. Und der ist natürlich überhaupt kein Ausgang.
    Ich bin ein Körper. Nichts als ein Körper. Alles, was getan werden muß, was getan werden kann, muß innerhalb dieses Körpers geschehen.
    (Das gelbe Buch IV:2)

 
     
     
    Ich habe über das Paradies nachgedacht, ausgerechnet. Ich habe auch angefangen, die Haustür abzuschleifen, sie muß neu gestrichen werden, die Farbe ist in diesem Winter abgeblättert und hängt in Fetzen herunter. Überraschend fand ich in einem Küchenschrank drei Dosen mit Farbe, sie müssen seit Anfang der sechziger Jahre dort gestanden haben, seit ich verheiratet war.
    Das Paradies wirft interessante Probleme auf. Was ist ein endlos anhaltender Glückszustand?
    Man denkt natürlich an den Orgasmus. Ein Orgasmus, ein großer, glücklicher Orgasmus, der einen plötzlich damit überrascht, daß er nicht aufhört. Er hält Minute für Minute, Stunde für Stunde an. Er ist so intensiv, so weißglühend, daß man nicht denken kann, aber man spürt, daß sich etwas Ungeheuerliches ereignet, man beginnt, sich nach einer winzigen Atempause zu sehnen, nur für den Bruchteil einer Zehntel Sekunde, um nachdenken zu können, aber dieser ungeheure Genuß geht einfach weiter, er läßt nicht mit sich reden, er hält

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