Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
und gar in die Wirklichkeit, in die Geschichte, in unsere eigene Biologie hineingetaucht. Die Möglichkeit, sich seinen eigenen Tod vorzustellen, beruht auf einem sprachlichen Mißverständnis. Ähnlich wie die Möglichkeit, sich selbst »du« zu nennen. Oder wie die Möglichkeit, sich selbst bei einem Namen zu nennen.
Die Schwärze der Pupille ist identisch mit der Schwärze zwischen den Galaxien.
(Das beschädigte Buch III:2)
1–8:
gereinigt, die Königinnen in gutem Zustand.
9–11:
erfroren, nicht gereinigt.
12–14:
gut in Schuß, die Königinnen möglicherweise zu alt, die Rahmen müssen nachgesehen werden, neue Waben.
15–16:
stehen seit Herbst 1971 leer. Nichts daran gemacht.
(Das beschädigte Buch IV:1)
Frühjahr, Frühsommerwind, der Duft der Fliederbüsche. Der Schlag kurzer, unruhiger Wellen am Strand, der Schwarm von Weißfischen. Die vergilbten kleinen Stengel der vertrockneten Schilfhalme.
So ein Schwarm von Weißfischen steht ganz still, als sei er ein einziger Körper. Wie kann der einzelne Weißfisch wissen, daß die anderen genauso still stehen?
Dann fällt ein Schatten darauf, der Schatten von jemand, der sich über das Wasser beugt, und der Schwarm stiebt in einer Explosion von blitzschnellen Reflexen auseinander, jeder in eine andere Richtung, genauso schnell wie die Lichtreflexe im Wasser über ihnen.
Nichts deutet mehr darauf hin, daß sie dagewesen sind.
Wenn sie fort sind, kann man gar nicht glauben, daß sie eben noch da waren.
(Das beschädigte Buch V:1)
Was jetzt mit mir geschieht, ist widerlich, abscheulich und erniedrigend, und niemand wird mich dazu bringen, es zu akzeptieren oder mir einzureden, daß es irgendwie gut für mich ist.
Es ist abscheulich, einem idiotischen, blinden Schmerz, Brechanfällen und diesem ganzen geheimnisvollen inneren Zerfall ausgeliefert zu sein, der blödsinnig und unverschämt ist und bleibt, was er auch immer für eine Erklärung haben mag.
Die gewöhnliche Ketzerei besteht darin, die Existenz eines Gottes zu leugnen, der uns erschaffen hat. Eine viel interessantere Ketzerei ist es, wenn man sich vorstellt, möglicherweise habe uns ein Gott erschaffen, und dann sagt, es gebe nicht den geringsten Grund für uns, davon beeindruckt zu sein. Und schon gar nicht dankbar dafür.
Wenn es einen Gott gibt, ist es unsere Aufgabe, nein zu sagen.
Wenn es einen Gott gibt, ist es die Aufgabe des Menschen, seine Negation zu sein.
Wir fangen noch einmal an. Wir geben nicht auf.
Meine Aufgabe in diesen Tagen, Wochen oder schlimmstenfalls Monaten, die es noch dauern kann, besteht darin, ein großes, deutliches nein zu sein.
(Das beschädigte Buch VI:1–3)
Ich, ich, ich, ich,... schon nach dem vierten Mal ein sinnloses Wort.
(Das beschädigte Buch VI:4)
Obwohl es schon die zweite Woche im Mai ist, schneit es heute in ganz Västmanland. Der Krankenwagen kommt mich um vier Uhr holen. Ich hoffe, daß die Straßen nicht zu glatt sind.
Man kann immer noch hoffen, daß kein Unglück passiert. Man kann immer noch hoffen.
(Das beschädigte Buch VII:0)
Väster Våla 1975
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