Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)
Stunde für Stunde an...
Das Paradies? Das alles habe ich kürzlich erlebt.
Das Paradies muß darin bestehen, daß ein Schmerz aufhört. Aber das bedeutet doch, daß wir im Paradies leben, solange wir keine Schmerzen haben! Und wir merken es nicht!
Glückliche und Unglückliche leben in derselben Welt, und sie erkennen es nicht!
Ich habe das Gefühl, als sei ich in den vergangenen Monaten in einem phantastischen, geheimnisvollen Labyrinth um mein eigenes Leben herumgegangen und sei jetzt genau zu dem Punkt zurückgekehrt, an dem ich war, als es anfing. Nur haben sich bei mir, da ich mich außerhalb der normalen Dimensionen bewegte, rechts und links irgendwie vertauscht. Meine rechte Hand ist jetzt eine linke, meine linke Hand eine rechte.
Wieder in dieselbe Welt zurückgekehrt und sehe sie als eine glückliche.
Die Fetzen der abgeblätterten Farbe an der Tür gehören zu einem geheimnisvollen Kunstwerk.
(Das gelbe Buch IV:3)
Ich hätte die Zeit besser nutzen sollen, als sie als Volksschullehrer in Väster Våla zu verplempern und jetzt hier als freiwilliger Frührentner Bienen zu züchten.
Verzeichnis der Kunstarten nach ihrem Schwierigkeitsgrad
1. Erotik
2. Musik
3. Lyrik
4. Drama
5. Feuerwerkskunst
6. Philosophie
7. Surfing
8. Die Kunst des Romans
9. Glasmalerei
10. Tennis
11. Aquarellmalerei
12. Ölmalerei
13. Rhetorik
14. Die Kochkunst
15. Architektur
16. Squash
17. Gewichtheben
18. Politik
19. Hohes Trapez
20. Fallschirmspringen
21. Bergsteigen
22. Bildhauerei
23. Kunstradfahren
24. Jonglieren
25. Die Kunst des Aphorismus
26. Springbrunnen bauen
27. Die Fechtkunst
28. Die Artilleriekunst
Eine kann ich nicht einordnen: die Kunst, Schmerzen zu ertragen. Das hängt damit zusammen, daß bisher niemand eine Kunst daraus machen konnte. Wir haben es also mit dem einzigartigen Fall einer Kunstart zu tun, deren Schwierigkeitsgrad so hoch ist, daß es niemanden gibt, der sie ausübt.
(Das blaue Buch IV:1)
Eine Welt, in der Wahrheit herrscht
Auf dem Planeten Nummer 3 im System 13 des Aldebaran gibt es eine Zivilisation, die sich unmittelbar, ohne symbolische Verbindungsglieder, mit der Wirklichkeit befaßt.
Die Vorstellung, daß beispielsweise eine Figur auf einem Papier etwas anderes darstellen könnte als sich selbst, ist den außerordentlich kräftigen, vielgliedrigen Tausendfüßlern, die die höchste Zivilisationsstufe auf dem Planeten repräsentieren, völlig fremd.
Daß sie kräftig sind, ist ihr Glück. Da sie kein anderes Symbol für ein Ding kennen als das Ding selbst, müssen sie ziemlich viele Sachen mit sich herumschleppen. Auf diesem Planeten hat der Ausdruck »eine kraftvolle Rhetorik« wirklich einen Sinn.
Wenn man zum Beispiel sagen will: »Ein sonnenwarmer Stein«, gibt es nur eine Möglichkeit. Man legt der Person, mit der man redet, einen sonnenwarmen Stein in die Hand oder richtiger gesagt in die Klaue.
Wenn man sagen will: »Ein riesiger Stein auf der Spitze eines Berggipfels«, gibt es nur eine Möglichkeit, diesen Satz auszudrücken. Nämlich die, einen riesigen Stein auf einen Berggipfel zu schleppen.
Unter diesen Bedingungen wird die Schöpfung eines lyrischen Gedichts zu einer Kraftprobe, die noch für Generationen in all ihrer heroischen Deutlichkeit bestehen bleibt.
Die meisten Sonette, die diese Zivilisation geschaffen hat, sehen ungefähr aus wie Stonehenge: riesige, feierliche Reihen von Steinen, die die Helden der Vorzeit stöhnend und ächzend mit geschwollenen Adern nach einem uralten Schema an ihren Platz gebracht haben.
In dieser Zivilisation sind Lügen selbstverständlich etwas ganz Unmögliches. Wenn man sagen will: »Ich liebe dich«, gibt es nur eine Möglichkeit, nämlich daß man es tut. Wenn man sagen will: »Ich liebe dich nicht«, gibt es ebenfalls nur eine Möglichkeit, und die besteht darin, daß man vermeidet, es zu tun. Wenn man das kann.
In einer Welt, in der das Symbol sich stets mit dem Ding deckt und in der dieses daher niemals durch lächerliche kleine Laute oder durch eine Reihe von komischen kleinen Zeichen auf einem Papier ersetzt werden kann, Zeichen, die genaugenommen nichts mit anderen Dingen zu tun haben, außer in unseren brüchigen, zufälligen gesellschaftlichen Konventionen, werden natürlich
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