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Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition)

Titel: Risse in der Mauer: Fünf Romane (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lars Gustafsson
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während der Schulzeit beispielsweise an seiner Beziehung zu Mädchen.
    Worüber Manngårdh und ich diskutierten, war eigentlich viel interessanter. Wir redeten darüber, wie dieser Typ des Bürokraten – natürlich nur, wenn er sensibel genug ist – früher oder später kaputtgeht, weil er ganz einfach zu viel von den inneren Widersprüchen der Gesellschaft absorbiert, in sich aufnimmt .
    Das braucht nicht immer so drastische Formen anzunehmen wie bei Troäng, der den ganzen Konflikt förmlich auskotzte, als er am Ende der Affäre zusammen mit dem Ministerpräsidenten für die Fernsehnachrichten interviewt wurde.
    Man kann es manchmal als Unruhe in ihren Augen sehen. Es bricht als Magengeschwür durch oder äußert sich in einer plötzlichen Erschöpfung, in einer Scheidung, aber es bricht durch. Man kann nicht mit allzu starken inneren Spannungen leben, und diese Leute nehmen ja den gesamten Konflikt der Gesellschaft in sich auf, da sie gleichzeitig auf beiden Sprachebenen zu leben versuchen.
    Nachdem sie abgefahren waren, wurde mir klar, wie interessant es ist, daß gerade Manngårdh diese Sache angesprochen hat. Er ist ja tatsächlich bei der Arbeitsmarktbehörde angestellt. Hoffentlich haben sie es in Sälen gut getroffen.
    Troäng: Mir würde so etwas nie passieren können, da ich seit dem Erwachsenenalter stets ein so deutliches Gefühl gehabt habe, außerhalb zu stehen , im Grunde asozial zu sein, obwohl ich meine Steuern bezahlt habe. Seit dem Streit um die Rentenversicherung habe ich an keiner Wahl mehr teilgenommen.
    Sogar meine Art, auf die Krankheit zu reagieren, ist natürlich asozial.
    (Das gelbe Buch IV:12)

 
     
     
    M. hatte eine lustige Eigenschaft: Sie log gern in Kleinigkeiten. Nie irgendein großer Betrug; ich war imstande, sie jahrelang in wesentlichen Punkten hinters Licht zu führen, wenn ich wirklich wollte. Sie log nur im Kleinen.
    Sie konnte sagen, sie sei zum Einkaufen in Gamleby gewesen, während sie tatsächlich in Fagersta eingekauft hatte. Sie konnte sagen, sie habe einen einsamen Abend mit Weben verbracht, während es ganz offensichtlich war, daß sie ihn damit verbracht hatte, die Erdbeerbeete zu jäten.
    Ich habe sehr viel darüber nachgedacht, bis ich auf die Lösung kam, die wirklich sehr einfach war:
    Mit diesen kleinen Lügen schaffte sie sich eine Art Freiheit.
    Obwohl es keine praktische Bedeutung hatte, machte es mich natürlich unsicher, nicht zu wissen, in welchem Laden sie nun gewesen war, und das gab ihr ein klein wenig Kontrolle über mich. So entstand ein Bereich, in dem sie uneingeschränkt entscheiden konnte.
    Das ist natürlich auf keinen Fall ein Zeichen dafür, daß sie einen schlechten Charakter hätte, sondern es zeigt nur, daß ich sie – ohne es zu wissen – in einem schrecklichen Abstand gehalten haben muß.
    Woran liegt es, daß ich nichts mit den Menschen zu tun haben will?
    Daran, daß ich ihnen keinerlei Kontrolle über mich geben will. Aber das haben sie ja trotzdem! Finanzamt, Einwohnermeldeamt, gewiß. Aber noch viel mehr die Leidenschaften, die in meinem eigenen Körper eingeschlossen sind, denn da beginnen schon die anderen .
    Beispielsweise die erotische Unruhe (die jetzt allmählich wiederkehrt, da die Schmerzen im Bauch nachlassen), dieser dumpfe, unbestimmte Hunger, dieses Gefühl, uns fehle etwas, das uns ob wach oder schlafend fast in jedem Augenblick unseres Lebens verfolgt.
    Was ist es? Die Möglichkeit der Liebe in unserem Körper. Die Gegenwart, die mögliche Gegenwart eines anderen Menschen.
    Die erniedrigende, ständige Erinnerung daran, daß Einsamkeit nicht möglich ist, daß es so etwas wie einen einsamen Menschen nicht geben kann.
    Daß das Wort »ich« das sinnloseste Wort der Sprache ist. Der tote Punkt in der Sprache.
    (So wie ein Mittelpunkt stets leer sein muß.)
    (Das gelbe Buch IV:14)

 
     
     
    Ich habe mich entschlossen, M. nicht anzurufen. Ich habe also über zwei Monate gebraucht, um zu diesem Entschluß zu kommen! Ich beginne wirklich ein bißchen langsam zu werden.
    (Das gelbe Buch IV:21)

 
     
     
    Ich bin der Meinung, daß die Seele kugelförmig ist (falls sie überhaupt eine Form hat), eine Kugel, in der ein schwaches Licht ein Stück weit unter die regenbogenschimmernde Oberfläche dringt, wo Empfindungen und Regungen des Bewußtseins wie Seifenblasen umherwirbeln und ständig ihre Farbe ändern, aber nur ein kleines Stück weit.
    Tiefer im Inneren gibt es nur noch schwache Lichtspuren, ungefähr wie in sehr

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