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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Blicken durchbohrten, sie zögerte kurz an der Schlafzimmertür und bei dem Gedanken, was sie dahinter erwartete, die vergitterten Fenster, das mit dem Boden verschraubte Bett, und darin Mr. Stanley Robert McCormick, der Mähmaschinen-Erbe, auf dem Rücken liegend, Hand- und Fußgelenke doppelt fest an die Bettpfosten gebunden. »Gib mir mein Geld besser gleich«, sagte sie, die Pupillen auf Stecknadelgröße verengt, ihr Mund ein häßliches Loch in der Mitte des Gesichts. »Also her damit.«
    Nick und Pat sahen beide zu, stumme Zeugen in dem verdunkelten Zimmer, kein Licht bis auf den Schein der Sterne und des Mondes – schließlich war das auch ihre Pflicht –, aber O’Kane brachte es nicht übers Herz. Er sollte vor Vergnügen und guter Laune in die Luft springen und sich über Mr. McCormicks Glück freuen, immerhin war das jedem Mann Bedürfnis, Genuß und Vorrecht zugleich – Sex, einfach mal Sex –, doch statt dessen ging er auf die Veranda hinaus und hängte den Kopf in einen Regenablauf an der Ecke, um alles herauszuwürgen, was er an diesem Abend getrunken hatte, und der Geschmack, voller Galle, war bitter und nachhaltig, ein scharfes, unstillbares Brennen auf den Lippen und der Zunge, das nach dem Kuß der Verzweiflung schmeckte.
    Kempf war perplex. »Ich versteh das nicht«, sagte er, erhob sich vom Schreibtisch und ging im Zimmer auf und ab, während O’Kane auf einem Stuhl saß, der so hart und unbequem war, daß er für den Zeugenstand des Bezirksgerichts hätte entworfen sein können. »Wir haben so gute Fortschritte gemacht, und jetzt: gar nichts. Pfft! Ich werfe ihm die üblichen Schreckgespenster hin – seine Eltern, seine Frau, das Erlebnis in Paris –, und er reagiert nicht einmal darauf. Sogar die freie Assoziation geht total ins Leere: Ich sage ›Boxer‹, aber er starrt mich nur an. Er sagt nichts als: ›ein-Schlitz, ein-Schlitz‹, wieder und wieder.« Kempf verschränkte die Hände hinter dem Rücken und schüttelte den Kopf, ein gewandter, schmalschultriger Mann mit den schimmernden Augen und der adretten Frisur eines Leinwandidols. »Ich dachte, das hätten wir hinter uns.«
    O’Kane antwortete ihm nicht. Der Arzt sprach im Grunde mit sich selbst, was er fast jeden Nachmittag nach seinen Sitzungen mit Mr. McCormick tat; O’Kane gab dabei eher eine Art Resonanzboden ab. Er verhielt sich sehr still, atmete kaum, ließ aber seine Blicke durch den Raum schweifen. Die Ausstattung hatte sich seit den Zeiten von Hamilton und Brush nicht wesentlich geändert, außer daß Hamiltons neurologische Modelle und die hawaiianischen Impressionen von Brush nicht mehr da waren, ersetzt durch die großformatige Reproduktion eines Gemäldes, das an der Wand von Dr. Freuds Behandlungszimmer in Wien prangte – jedenfalls behauptete das Kempf. »Une Leçon clinique à la Salpêtrière« lautete eine Tafel daneben, und das Bild zeigte einen weißhaarigen Arzt – vermutlich Dr. Charcot –, der eine junge Hysterikerin um die Hüfte gefaßt hielt, während zwanzig bärtige Studenten ihm zusahen und eine Schwester bereitstand, um die Frau aufzufangen, sollte sie fallen. Die Patientin trug eine tief ausgeschnittene Bluse, die ihr über die Schultern gerutscht war, und obwohl sie aufrecht stand, schien sie bewußtlos – entweder das, oder sie täuschte es vor. Die Bedeutung all dessen entging O’Kane, außer daß die Frau verdammt gut aussah und daß Charcot sie offenbar in seiner Gewalt hatte. Worin lag also die Anziehungskraft für Kempf – Wunscherfüllung?
    »Das mit dem Rochen war wirklich Pech«, sinnierte Kempf im Auf- und Abgehen, »ein verteufeltes Pech, das ist keine Frage. Aber ich dachte, Stanley würde darüber hinwegkommen, so langsam, doch jetzt ist er wieder vollkommen blockiert, so zugänglich oder ansprechbar wie ein Stein. Irgend etwas hat das ausgelöst, gar keine Frage – und Ihnen fällt auch nichts ein, was ihn bedrücken könnte, Eddie?«
    O’Kane, stocksteif, bewegte nur die Lippen: »Nein, ich wüßte nichts.«
    »Komisch«, sagte Kempf, der jetzt vor O’Kanes Stuhl stehenblieb. Er sah auf ihn hinunter, runzelte die Stirn und blinzelte, bis seine kreisrunden Augen nichts als schmale Schlitze waren. »Wirklich seltsam. Und gestern abend ist nichts Besonderes passiert? Während Sie hier waren – oder danach? Wovon Sie vielleicht erfahren haben, meine ich?«
    »Nein, nichts.«
    Der Arzt vollführte eine Bewegung mit der Hand, als wollte er etwas aus der Luft schnappen. »Ich

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