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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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ihrer Strapazen und eine Belohnung. Und wer wußte schon, ob es nicht vielleicht eine ansehnliche Belohnung werden würde, eine fette Abfindung, Zinsen für jeden Schlag, jeden Tritt und jedes dreckige Bettlaken während der vielen schwerfälligen Jahre.
    Aber es sollte nicht sein. Mochte sich Mr. McCormicks Leben während dieses erstaunlichen Sommers auch auf wundersame Weise aufgeblättert und immer mehr geöffnet haben, so als gäbe es keine Grenzen mehr für ihn, keine Richter, weder Angst noch Verzweiflung, weder Selbsthaß noch den schieren, reinen Wahnsinn, so kam doch ein Tag im September – und O’Kane konnte ihn genau bestimmen –, an dem die Dinge sich wieder um ihn schlossen. Es fing am Strand an. Ein ganz gewöhnlicher Tag, die Sonne hoch und grell, Mr. McCormick bestens gelaunt, der Ozean wogte und wogte bis hinaus zu den Inseln, die von einem feinen silbernen Nebelband umhüllt waren. Man hielt ein mittägliches Picknick ab. In der Cabaña. Die kleine Muriel war dabei, Tochter einer Rockefeller und eines McCormick, mit braungebrannten Beinen und goldblondem Haar, Katherine und Mrs. Roessing waren auch da, letztere in einem kühnen Badeanzug ohne Röckchen. Alles schien prächtig, bis Mr. McCormick, der bis zur Hüfte in der Brandung stand, mit O’Kane an der einen und Mart an der anderen Seite, plötzlich derart gellend aufschrie, daß man unwillkürlich an Mord in einer finsteren Gasse dachte, an aufgeschlitzte Kehlen, Bajonettstiche in den Bauch. Er kreischte los und hüpfte auf einem Bein, bis er das Gleichgewicht verlor und kopfüber ins Wasser und auf den feuchten Sand stürzte, die Brandung war unbarmherzig, und O’Kane und Mart mußten ihn an den Armen aus dem Wasser ziehen.
    Was war los? Was war geschehen? Fehlte ihm etwas? War er verletzt? Kempf, Katherine, Muriel, Mrs. Roessing, Mart, O’Kane und sogar die beiden Männer, die das Boot gerudert hatten, scharten sich um ihn, und Mr. McCormick umklammerte seinen Fuß und schrie herum. »Die Richter!« jammerte er. »Ich wußte, sie würden mich kriegen, ich wußte es!« Das Haar hing ihm in die Augen, sein verzerrtes Gesicht war klatschnaß, man sah in seine dunkle Kehle und die schartigen Krater seiner faulenden Zähne, der Sand wie ein härenes Hemd auf seiner Gänsehaut. Später fanden sie den Grund für seine Erregung – er war durchaus verständlich und real: ein Stachelrochen hatte ihn erwischt –, aber damit war Schluß mit dem Schwimmen im Meer und mit dem Strand.
    Es war auch das Ende von Mr. McCormicks positiver Phase, denn über Nacht wurde er wieder mißtrauisch und paranoid, und kein noch so geduldiges Argumentieren – Stachelrochen lebten im Ozean und hatten nichts gegen ihn persönlich, es war ein Unfall gewesen, so etwas passierte eben – überzeugte ihn davon, daß diese Episode nicht als Bestrafung für ihn zu interpretieren sei. Und letzten Endes schien er für das, was da geschehen war, die Frauen und deren Anwesenheit verantwortlich zu machen. Wären sie nicht gewesen, wäre er ja gar nicht an den Strand gegangen – hatten sie etwa vor, ihn zu töten, ja? War Katherine hinter seinem Geld her? Würden sie ihn gern tot sehen? Am nächsten Tag weigerte er sich, zum Essen zu gehen, obwohl Katherine und Mrs. Roessing im Speisezimmer auf ihn warteten; O’Kane und Mart waren bereit, ihn die Treppe hinunterzuschleifen, aber Kempf schüttelte den Kopf. Er sollte erst wieder Frauen sehen, wenn er es wollte. Zu seinen eigenen Bedingungen. Geben wir ihm Zeit, sagte Kempf.
    Zwei Tage vergingen. Drei. Eine Woche. Und immer noch lehnte es Mr. McCormick ab, diese Stufen hinabzugehen, und als er eines Nachmittags irgendwie davon hörte, daß Katherine zu ihm heraufkommen wollte, bekam er einen richtigen Anfall, komplett mit zerschlagenen Möbeln, irrem Gebrabbel und Schaum vor den Lippen. Katherine wurde langsam ungeduldig und fuhr Kempf an, in O’Kanes Gegenwart, sie drohte ihm und zeterte los, als wäre sie selbst tobsüchtig geworden: sie habe sich daran gewöhnt, ihren Mann zu sehen, und zwar täglich, doch nun sei sie wieder von ihm getrennt. Das sei unerträglich. Es werde Kempf seinen Kopf kosten – oder zumindest seine Stelle, die ganzen zehntausend Dollar im Monat.
    In dieser Phase, genau Ende September, beschlossen die Pfleger, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. »Es ist eine Schande, verdammt«, sagte Nick eines Abends, als sowohl O’Kane und Mart einmal länger im Haus blieben, weil Roscoe anderweitig zu tun

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