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Riven Rock

Riven Rock

Titel: Riven Rock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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Na? Sag schon!«
    »Ich bin am Institut gewesen«, sagte sie.
    »Lüge!« fauchte er. »Alles Lüge!«
    Sie sagte ihm, er tue ihr weh – und das stimmte, er hatte soviel Kraft, seine Hand war wie eine Klemme oberhalb ihres Ellenbogens –, aber er wiederholte nur: »Wer war es?«, wieder und immer wieder. Sie nahm ihren Schüssel, und sie waren in der Eingangshalle, kämpften sich voneinander los, das Dienstmädchen duckte sich bestürzt hinter die Topfpflanzen, und dann hatte sie sich befreit und rannte die Treppe hinauf, seine donnernden Schritte hinter sich. Hinauf, hinauf, keine Zeit zum Anhalten oder Nachdenken, den Gang entlang und in ihr Zimmer, die Tür zugeworfen und verschlossen, und er draußen auf dem Läufer, gegen die Tür schlagend. »Laß mich rein!« schrie er und klopfte wütend. »Laß mich rein!«
    Nach einer Weile hörte er auf, und die Wut wich aus seiner Stimme. »Bitte!« flehte er. »Bitte laß mich rein. Ich – ich werde brav sein, wirklich.« Er schluchzte jetzt, Heiß- und Kaltwasser voll aufgedreht, und wie konnte sie ihn nur abstellen, wo war der Hahn? »Ich – ich liebe dich, Katherine. Verlaß mich nicht.«
    Sie klammerte sich an die Tür, und auf einmal weinte sie auch, ein trockenes Kratzen in der Kehle, und die Tränen brannten ihr in den Augen. Das war es, ihr Leben, das war ihre Ehe: ein Wahnsinniger im Gang vor ihrer Tür und vier Zentimeter Mahagoniholz Abstand zu ihrem Verderben, ja, Verderben, denn nun hatte er unvermittelt wieder zu toben begonnen, er warf sich krachend mit der Schulter gegen die Tür, daß der Riegel bebte und das Türblatt protestierend knarrte. »Geh weg!« kreischte sie.
    Lange, lange Zeit kam keine Antwort, und sie hielt den Atem an und lauschte, lauschte so angespannt, daß sie hören konnte, wie die Gedanken in seinem Kopf miteinander kollidierten und das Blut durch seine Adern raste, dann krachte es plötzlich, und das Holz gab an der dünnsten Stelle nach, genau im Zentrum des mittleren Feldes, und sie konnte sein Gesicht durch das schartige Loch sehen, nichts als Augen, nur seine Augen, die nach ihr spähten. »Ich b-bring dich um, du Schlampe!« schrie er.
    Sie wich von der Tür, ging rückwärts bis zum Bett, während er jemandem etwas zurief, den nur er sehen konnte. »Jack!« brüllte er. »Jack London! Komm rein mit mir, Jack, dann nehmen wir sie beide!«
    Daraufhin flüchtete sie sich in die Wäschekammer, an den letzten Ort, der ihr noch blieb, der Schlüssel steckte von innen und die Tür war fest verriegelt, und nun gab es nichts als Dunkelheit und Angst, Angst und Haß, denn er war der Grund ihrer Angst, und deshalb haßte sie ihn so sehr, daß Vergebung und Trost undenkbar waren. Stanley. Stanley Robert McCormick, der Wahnsinnige, der Verrückte, der Irre, der sexual-hypochondrische Neurastheniker. Und das war der Eindruck, der ihr von ihm blieb, als sie ihn abholen kamen und ihre ganze aufgebrachte männliche Muskulatur darauf verwandten, ihn niederzuzwingen, in eine Zwangsjacke zu stecken und im Bett zu fixieren.
    Aber so wollte sie sich nicht an ihn erinnern, nicht jetzt, im Treppenhaus des Gerichtsgebäudes, wo die Reporter ihr entgegendrängten und Newt Baker sie mit ebenso behutsamem, taktvollem wie festem Griff an dem seinerzeit mißhandelten Ellenbogen faßte. Das stimmte ja nicht. Das war nicht ihr Stanley. Nein, sie erinnerte sich an ihn in jener Nacht in Chicago, als der Boden hartgefroren war und seine Mutter neben ihnen in der Kutsche hockte wie ein bösartiges Geschwür und verlangte, daß sie zuerst Miss Dexter nach Hause bringen sollten: »Rush Street? Haben Sie den Verstand verloren?«
    Er hatte um sie gekämpft. Sich gegen seine Mutter erhoben und seine Wahl getroffen. Und als er zu ihr in die Kutsche zurückkehrte, da war er über drei Meter groß, ihr Stanley, und er gehörte nur ihr. Es wurde still, die Tür klappte zu, der enge Raum war ihnen geweiht, heiße Backsteine wärmten ihre Füße unter der Pelzdecke, das fahle Licht wurde schwächer, die Pferde trappelten hinein in ein vages Land großer Möglichkeiten. Er war schüchtern und verlegen, wollte schon wieder über Debs reden. »Wegen Debs und was da von ihm – was da neulich von ihm in der Zeitung, äh, stand. Also, das war die bedeutsamste, äh, Sache, die ich jemals...«
    Er kam nie dazu, seinen Gedanken zu Ende zu führen, aber das tat nichts zur Sache, denn Debs konnte ihnen nicht bei allem helfen, und jetzt war Debs ohne Belang, würde nie wieder von

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