Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
dort auch lichte Haselbüsche, Brombeeren und vereinzelte Zwergkiefern Wurzeln gefasst. Über allem lag der würzige Duft von Lavendel, Rosmarin und Thymian. Die Sonne stach unbarmherzig vom Himmel, und wären nicht die Zikaden gewesen, die mit ihrer eintönigen Weise die Reisenden begleiteten, hätte man vermuten können, völlig allein zu sein auf Gottes Erdenrund.
„He, Mönch“, rief der Dicke nach einiger Zeit. Er hatte sich das Hemd um den Kopf gewickelt und keuchte zum Gotterbarmen. „Können wir nicht eine Rast halten? Meine Beine ...“
Doch Fulco von Saint-Georges schüttelte den Kopf. „Ihr seht doch, Herr, der Dame geht es nicht gut, und auch die beiden anderen haben Schmerzen. Wir wollen schauen, dass wir vorwärts kommen. Im Kloster habt Ihr Zeit in Fülle, Euch auszuruhen!“
„Zeit in Fülle, ha!“ Der beleibte Mann, dessen weiße Haut nach kurzer Zeit schon eine gefährlich rote Farbe angenommen hatte, lachte unwillig auf, wobei sein schwabbeliger Bauch hüpfte, dann warf er einen vorwurfsvollen Blick auf Rixende, die auf dem Karren kauerte. Das stete Rumpeln des alten Gefährts hatte ihre Übelkeit noch verschärft, die Wunde jedoch blutete nicht mehr. Die anderen Verletzten saßen rechts und links zu ihren Füßen, die gebrochenen oder ausgerenkten Glieder notdürftig geschient. Auch ihnen machte der holprige Weg zu schaffen, und sie stöhnten unablässig.
„Sagt, Bruder“ – der Reisende mit dem gekräuselten Bart wich nicht von Saint-Georges` Seite und erwies sich dabei als ausgesprochen neugierig – „Ihr wart allein unterwegs, obendrein in Beinkleidern. Was war Euer Ziel? Um eine Translationsreise – also um Reliquien an einen anderen heiligen Ort zu überführen - kann es sich nicht handeln, da hätte man euch sicher in ein festliches Ornat gesteckt, nicht wahr? Oder steht Ihr – bitte nehmt es mir nicht übel – mit der jungen Dame tatsächlich in irgendeiner Verbindung? Dass Ihr mich bitte nicht falsch versteht!“
„Ich verstehe Euch schon richtig, Herr Clément“, sagte der Inquisitor geduldig. „Und ich will Eure Fragen gerne beantworten: Zum ersten reise ich stets in Beinkleidern, das ist uns erlaubt. Und zum zweiten: Ich bin zufällig neben dem Schiff einhergeritten. Wohin mich mein Weg geführt hätte, wenn das Unglück nicht geschehen wäre, darf ich Euch jedoch nicht sagen. Desweiteren, nur um Eure Neugierde zu befriedigen: Ich kenne die Dame seit langem, sie ist eine geachtete Geschäftsfrau aus Carcassonne. Aber ich begleite sie nur aus dem einen Grund, weil sie verletzt und ihr Diener bei dem Unglück ums Leben gekommen ist. Ohne Schutz kann sie nicht weiterreisen.“
„Ja, ja, dieser seltsame Muselmane mit der Flöte ...“, ergänzte der Mann. Doch er war noch immer nicht zufrieden. „Und nun vernachlässigt Ihr wegen einer Dame, die mit einem Ungläubigen reist, Eure geheime Mission, Bruder?“ fragte er hartnäckig weiter. „Könnt Ihr das verantworten? Müsstet Ihr nicht längst wieder in Eurem Kloster sein?“
„Nein“, antwortete Saint-Georges, jetzt kurzangebunden. Doch das veranlasste Clément, ihn nur noch aufmerksamer zu beobachten als zuvor. Bald fing er zu spotten an.
„Ora et labora“ , sagte er, und schob bei jeder einzelnen Silbe mit seinem Fuß einen Stein zur Seite, der polternd den Abhang hinunterkollerte, „ich wage die Prophezeiung, dass in einer Woche keiner mehr sehen kann, dass Ihr überhaupt ein Mönch seid. Das Haar auf Eurem Kopf ist schon jetzt kräftig nachgewachsen, und Eure Kukulle ist auch nicht mehr das, was sie einst war.“
„Nicht das Gewand macht den Mönch!“ entgegnete der Inquisitor unwirsch. „Macht Euch also keine Sorgen um mich. Aber wenn es Euch beruhigt, die Zisterzienser werden mir aushelfen.“
„Die Zisterzienser sitzen in Fontfroide? Die Grauen Mönche? Habt Ihr gewusst, dass Kaiser Friedrich II. sich in der Kutte der Zisterzienser aufbahren ließ?“
Fulco nickte. „Ja, das ist bekannt.“
„Aber die Zisterzienser tragen im Gegensatz zu Euch eine weiße Tunika, schwarz gegürtet, dazu ein schwarzes Skapulier mit Kapuze und weißer Flocke. Wollt Ihr am Ende konvertieren?“ sagte der Mann anzüglich und trat erneut gegen einen Stein.
Nun war es an Saint-Georges Clément aufmerksam zu betrachten. „Woher habt Ihr diese umfassenden Kenntnisse: Skapulier, Flocke, die Grauen Mönche, Translationsreise?“
„Ach“, der Fremde lachte ein wenig unsicher, „ich habe ... einen Bruder, jawohl
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