Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Kriegsfall abgeschlossen hatte, sprach der erzürnte Pierre de Castelnau in Saint-Gilles-du-Gard - wo die beiden sich mit den Bischöfen von Toulouse getroffen hatten - gegen ihn die Exkommunikation aus und verfluchte ihn mit den Worten „Wer Euch beraubt, hat gut getan, wer Euch tödlich trifft, wird gesegnet sein!“ Danach überstürzten sich die Ereignisse. Wütend und verbittert ob seines Misserfolges war Castelnau abgereist, um Innozenz III. Bericht zu erstatten. Im Morgengrauen des nächsten Tages wurde er erdolcht. Der feige Mörder, den man unter den Anhängern des Grafen von Toulouse vermutete, war spurlos verschwunden, Rom in hellem Aufruhr. Die ruchlose Tat veranlasste Innozenz, Raymond heftig zu beschuldigen und tatsächlich einen Kreuzzug gegen die Katharer auszurufen. „Was den Grafen von Toulouse angeht“, so hatte er gewütet, „jagt ihn und seine Komplizen aus den Zelten des Herrn! Nehmt ihm seine Länder weg, damit katholische Einwohner an die Stelle der vernichteten Ketzer treten können.“
Das war der Anfang, dachte Fulco von Saint-Georges, während sie einen Blick in die Bergerie warfen, wo sich die kranken und schwachen Tiere befanden, die nicht mit den anderen auf die Weide konnten. Der Anfang eines blutigen Wettstreits um die rechte Lehre und die reichen Ländereien des Südens. Und ein Ende ist noch immer nicht abzusehen. Deus lo volt – Gott will es -, hatten die Anführer des Kreuzzuges geschrien, um die Massen auf ihre Seite zu ziehen und heute, hundert Jahre nach diesem Geschehen, warf ein Nikolaus von Abbéville im Namen des Herrn und im Auftrag Roms noch immer das Netz aus, um darin Ketzer zappeln zu lassen.
„Nikolaus von Abbéville“, hub Saint-Georges an, als sie durch eine glyzinienumrankte Pforte schritten, die in den Garten führte, „ist auf der Suche nach dem Hüter der katharischen Geheimnisse, den er für gefährlicher erachtet als alle parfaits im Land. Ist Euch in letzter Zeit etwas über diesen Mann und seinen möglichen Aufenthaltsort bekannt geworden?“
Der Abt wiegte den Kopf. „Ja und nein“, sagte er leise und sah sich dabei vorsichtig um, doch es war weit und breit niemand zu sehen. „Es gibt Gerüchte, die besagen, dass sich der Hüter auf dem Queribus aufhalten soll, einer dieser himmelstürmenden Burgen der Corbiéres. Kennt Ihr den Berg?“
„Natürlich. Die Leute munkeln seit Jahren, er wäre eine Zufluchtsstätte für Ketzer und anderes Gesindel, doch das stimmt nicht. In Wahrheit gilt der Queribus zusammen mit dem Peyrepertuse, mit Puilaurens, Termes und Aguilar als eine der fünf Grenzfestungen des Königs. ´Die fünf Söhne von Carcassonne` nennt man sie, wobei unsere Stadt die Hauptbefestigung ist. Dass sich der Hüter ausgerechnet auf einer der königlichen Burgen aufhalten soll, in der Höhle des Löwen gewissermaßen, kann ich daher nicht glauben. So dumm ist niemand!“
„Möglicherweise hält er sich dort unerkannt auf. Die Ketzer sind schlau. Ihre parfaits tragen längst keine schwarzen Gewänder mehr, sondern oft blaue oder grüne. Sie verkleiden sich als Schäfer, Händler, Hausierer, und sie rasieren sich jetzt auch. Dass man einen Ketzer vor sich hat, merkt man erst, wenn man ihm die Taschen umdreht und die Sammlung tinhols zum Vorschein kommt, ihre gesegneten Brotkanten – oder mit ein wenig Glück vielleicht auch eines ihrer Bücher, auf die sie so stolz sind. Die geben sie ungern aus der Hand. Viele können lesen. Ihr wisst selbst, dass die parfaits rhetorisch und theologisch bestens geschult sind – vor allem dieser Pierre Authié, dessen Treiben geradezu widerwärtig ist. Er wandert in Begleitung von passeurs, einheimischen Führern, von Berg zu Berg, überquert gefährliche Schluchten, kehrt des Abends in den cabanen der Schäfer ein und tut sich an Öl, Wein und Nüssen gütlich. Dabei führt er blumige Reden und macht den naiven Leutchen weis, dass Fleischgenuss schädlich sei. ´Macht, dass ihr von der feresa wegkommt`, predigt er, ´esst dafür Fische, die vermehren sich im Wasser!`“
Der Abt war stehengeblieben. Er war ganz erhitzt, lehnte sich gegen eine Sandsteinmauer und sah Saint-Georges kummervoll ins Gesicht.
„Und das ist noch nicht alles. Ungeniert fällt dieser Kerl auch am sonnenhellen Tag mit seinem Bruder und seinem Sohn, oft mit seiner ganzen Gevatternschaft, in die bäuerlichen Ortschaften ein, wo man sine litteris ist, also nicht schreiben und lesen kann. Sie lassen sich dort häuslich nieder,
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