Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
„Ketzer gibt es überall im Land“, hatte er in Castillou gesagt und offenbar sie damit gemeint. Doch Fulco hatte Rixende auch noch etwas anderes ans Herz gelegt: „Vertraue mir, ganz gleich, was dir über mich zu Ohren kommt.“
Sie wollte ihm gerne vertrauen. Doch aus welchem Grunde sollte Mengarde sie belügen. Simon fiel ihr ein. Konnte sie sicher sein, dass Grazide Fulco gegenüber nicht auch ihren Bruder erwähnt hatte? Sollte sie ihn warnen? Doch was, wenn Clément sie noch immer heimlich beobachtete und am Ende ihren Boten bis zum Queribus verfolgte? Sie konnte Simon nicht noch einmal in Gefahr bringen. Besser alles so belassen wie es war und die Augen und Ohren offenhalten.
Rixende war todmüde, aber sie fand keinen Schlaf in der Nacht.
Der Tag des Heiligen Ignatius rückte näher.
Nach ihrer Heimkehr hatte Rixende Fulco nur zweimal zu Gesicht bekommen. Einmal in der Kathedrale St. Nazaire und ein weiteres Mal, als eines Morgens laute Stimmen aus der Gasse zu ihr heraufdrangen und sie – neugierig geworden – ans offene Fenster ihrer Schreibstube trat.
Unten sah sie zu ihrer Überraschung Saint-Georges im lebhaften Gespräch mit Elias Patrice. Wie sie den Wortfetzen der beiden entnehmen konnte, ging es um den Baufortschritt der Kapelle, die dem Senat als Buße auferlegt war. Patrice stand mit dem Rücken zu ihr, doch Fulco, der wohl schon zuvor das Fenster ihrer Schreibstube heimlich beobachtet hatte, bemerkte Rixende sogleich. Ein kurzes Nicken, ein fast unauffälliges Berühren seiner Lippen mit der rechten Hand galten niemand anderem als ihr. Doch sie rührte sich nicht, starrte nur unentwegt auf die beiden Männer hinunter. Ihr Verhalten befremdete Fulco, schon in der Kathedrale hatte sie ihn völlig gleichgültig angesehen. Zwar hatten sich die beiden Zurückhaltung auferlegt, doch jetzt, wo niemand weiter Rixende beobachtete, hätte sie doch ein kleines Lächeln für ihn auf ihr Antlitz zaubern können.
Fulco ahnte nichts von dem Kampf, den Rixende in ihrem Inneren ausfocht. Doch nach dem, was ihr Mengarde geschrieben hatte, konnte sie sich seiner in keiner Weise sicher sein. Auch war sie erstaunt, dass er offenbar noch immer in Amt und Würden war. Das konnte doch nur bedeuten, dass entweder Abbéville nichts über seinen Brief an Nogaret, den Berater des Königs, erfahren hatte, oder - dass Fulco ihn gar nicht geschrieben hatte.
Wie angewachsen, blieb Rixende am Fenster stehen, bis sich Patrice endlich von Fulco verabschiedete, umdrehte und auf das Tor des Lagers zuschritt. Fulco zögerte noch einen Moment, warf dann einen weiteren Blick zu ihr empor, doch Rixende stand plötzlich nicht mehr an ihrem Platz. Ziemlich verwirrt ging er seines Weges.
Patrice wunderte sich zwar über Rixendes blasses, beinahe verhärmtes Aussehen, sprach sie aber aus Höflichkeit nicht darauf an, vielmehr bat er um eine kurze geschäftliche Unterredung, er habe gute Nachrichten.
„Bernhard Délicieux wird selbst die Verteidigung des Ansehens von Castel Fabri übernehmen“, teilte er Rixende freudig erregt mit. „Er und sein Syndikus werden am kommenden Freitag das Zeugnis der sechs Franziskaner, die den Sterbenden bewacht haben, Abbéville vorlegen.“
„Das erleichtert mich sehr“, sagte Rixende und bot ihm einen Platz an. „Wie schätzt Délicieux die Sache ein?“
Patrice wiegte den Kopf. „Schwer zu sagen, es könnte darauf hinauslaufen, dass man, sollte Abbéville das Zeugnis ignorieren, beim Heiligen Vater um Apostoli ersuchen muss. Das allerdings würde die Sache auf unbestimmte Zeit hinauszögern. Im Augenblick stößt Délicieux überall, wo er hinkommt, auf Schwierigkeiten. Entschuldigt die Wortwahl, Frau Rixende, aber die Leute scheißen sich vor Angst in die Hosen. Der Notar Barthélemy Adalbert hat zutiefst bedauert, und sogar Johann von Penne, unser hiesiger Dekretaler, der das Schriftstück der Franziskaner anfertigen sollte, tat dies nur unter der Bedingung, dass sein Name absolut geheim bleiben müsse. Nun versucht Délicieux sein Glück bei Frisco Ricomanni, dem berühmtesten Anwalt des ganzen Landes, doch langsam wird die Zeit knapp. Ihr seht, welch einen Schrecken Abbéville inzwischen im ganzen Land verbreitet! Und dieser Fulco von Saint-Georges, sein Verweser, scheint keinen Deut besser zu sein. In ihm habe ich mich schwer getäuscht, das muss ich schon sagen. Schwer getäuscht.“
Rixende erschrak.
„Wie meint Ihr das?“ fragte sie vorsichtig. Sie spürte wie ihre Beine
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