Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
den Prior mit den weißen Handschuhen keines einzigen Blickes, sondern wandte sich einzig an den König. Wie schon während des Gastmahls hatte Philipp auch an diesem Vormittag kaum ein Wort gesprochen. Auch er vermisste Nogaret, der jedoch aus diplomatischen Gründen ferngeblieben war, um wegen der Anagni-Angelegenheit nicht selbst ins Kreuzfeuer zu geraten. Der König hatte aber aufmerksam den Streitenden zugehört.
„Eure Hoheit, ich kann beweisen, dass die Dominikaner ein falsches Spiel treiben.“
Mit diesen Worten zog Délicieux ruhig und, wie es schien, völlig ungerührt, ein Pergament aus seiner Kutte. Nur wer nahe bei ihm stand, hätte seinen grauen Augen eine Veränderung anmerken können, ihr sonst so gütiger Ausdruck war einer gewissen Härte gewichen.
Im Nu war Ruhe eingekehrt im Saal.
„Hier ist der Beweis, Euer Gnaden“, sagte Délicieux, „dass Euer eigener Beichtvater einen ungebührlichen Einfluss zugunsten der Inquisition ausgeübt und obendrein die Geheimnisse des königlichen Kronrates den Vlamändern verraten hat.“
Man hätte ein Blatt hinunterfallen hören können, so totenstill war es plötzlich. Alle sahen gebannt auf Philipp.
Der König war kalkweiß geworden. Er presste die Lippen aufeinander, bis sie ebenfalls blutleer wurden, streckte dann entschlossen das Kinn nach vorne, um Délicieux das Pergament aus der Hand zu reißen. Dann begann er es zu lesen. Seine Hände zitterten beträchtlich.
Die Anwesenden, gleich welcher Seite sie angehörten, waren sprachlos und entsetzt zugleich. Viele wussten nicht, wohin sie ihre Augen wenden sollten.
Ei, ei, dieser schlaue Franziskaner, dachte Elias Patrice aufgeregt und wischte sich den Schweiß von der Oberlippe, woher hatte er nur immer seine Informationen?
Er war nicht der einzige im Saal, der in diesem Augenblick den Beichtvater der Königin vor Augen hatte, der ebenfalls Franziskaner war.
Philipp der Schöne machte, zumindest nach außen hin, rasch wieder einen gefaßten Eindruck. Er übergab das Schreiben, ohne näher darauf einzugehen, dem Bischof von Auxerre und suchte dann Délicieux` Blick.
„Fürwahr, Ihr seid sehr mutig, Franziskaner“, sagte er mit fester Stimme.
„Es ist der Mut, der der Hoffnungslosigkeit vorausgeht, Sire!“ meinte Délicieux leise und schilderte dann noch einmal nachdrücklich die schlimme Situation der unglücklich Inhaftierten sowie den noch immer ungeklärten Fall des ehrenwerten Bürgers Castel Fabri.
„Die Schwiegertochter des Mannes, Rixende Fabri, bittet Eure Hoheit um eine Unterredung“, sagte er zum Schluss.
Der König nickte huldvoll.
„Die Frau möge morgen zu Uns kommen, um diese Zeit!“ sagte er leise.
Dann wiederholte er die Worte, die er bereits in Toulouse gesprochen hatte, stand auf und verließ mit seinen Legaten den Saal.
Alle fielen auf die Knie, als er in seinem pelzverbrämten blauen Mantel und arroganter Pose an ihnen vorüberschritt.
Die Weigerung des Königs, auf irgendeinen anderen Reformplan einzugehen, als den von ihm genannten - wodurch die Inquisition scheinbar der Oberaufsicht der Bischöfe unterstellt wurde -, verursachte aber selbst in den Reihen der Dominikaner, vor allem bei d`Ablis, Abbéville und Guidonis eine schwere Enttäuschung, denn das bedeutete, dass ihnen zukünftig in vielerlei Hinsicht die Hände gebunden waren.
Was jedoch wenige Stunden später, am Nachmittag des ersten Beratungstages geschah, setzte allem die Krone auf und machte Freund und Feind in ungewohnter Eintracht sprachlos:
Der König zwang Johanna, sämtliche Ehrengaben an die Stadt Carcassonne zurückzugeben. All die herrlichen Gefäße, die die Goldschmiede wochenlang gehämmert hatten, wurden kommentarlos zurückgeschickt.
Dies konnte man nur als einen unfreundlichen Akt ansehen, darüber war man sich in Carcassonne schnell einig, denn die huldvolle Annahme solcher Geschenke waren für jeden Herrscher eine Selbstverständlichkeit. Die Konsuln forderten daraufhin ihren Sprecher Elias Patrice auf, ein letztes Gespräch beim König zu erwirken.
Mit einer höchst aufgeregten Rixende Fabri an seiner Seite betrat der nicht minder erregte erste Konsul der Stadt am nächsten Morgen das Château, denn er war zur gleichen Stunde vorgeladen worden wie die Frau.
Rixende war zum ersten Mal im Grafenschloss. Man führte sie durch den Palasthof an der alten Gerichtsulme vorbei, in einen rechteckigen Saal, der ungeachtet seiner Form, wegen eines mächtigen Tonnengewölbes der
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