Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
ungeachtet seiner Verdienste vor die Nase zu setzen, hatte er bereits von der Gefährlichkeit dieser Frau überzeugt. Nun musste noch der König erfahren, dass sie und die ganze Familie Fabri der Ketzerei schuldig war. Nicht er, Abbéville, durfte bestraft werden, sondern diese Erzketzerin Ava von Planissoles und ihr Bruder, sowie ihre Helfershelfer Délicieux, Pequigny und Neveu! All sein Denken kannte nur ein Ziel: Er musste das durchtriebene Weib in seine Finger bekommen, sie war die einzige, die ihn zum Hüter führen konnte.
Es zog in der Turmstube. Das Kerzenlicht flackerte. Abbéville merkte auf … Spätestens nach der Festnahme des Hüters würde sein Ansehen wieder hergestellt sein. Er hatte auch schon einen Plan, wie dies zu bewerkstelligen war. Er würde auf einen Schlag sämtliche Einwohner des Ketzerdorfes Montaillou verhaften, zu allererst jedoch die elende Clergues-Sippe, die seit Jahren ein doppeltes Spiel trieb, sich der Inquisition als Spitzel andiente und zugleich horrende Schutzgelder von den Ketzern einstrich. Ja, er würde ihre und alle anderen Häuser vom Keller bis zum Dachboden durchsuchen. Bekam er dabei die Geheimen Worte des Herrn in seine Hände, oder gar den Gral, so würde er seinen Fund eigenhändig nach Rom bringen. Bei der Vorstellung, wie er seine Beute feierlich dem Heiligen Vater überreichte und daraufhin den roten Kardinalshut bekam, wurde Abbéville ganz warm ums Herz.
Er legte die Feder beiseite und blies die Flamme der Kerze aus. Für eine kurze Zeit beobachtete er den noch schwelenden Docht. Er schnupperte und lächelte dann im Dunkeln vor sich hin wie ein kleines Kind.
Geoffroy d`Ablis war zwar ebenso tatkräftig und rücksichtslos wie sein Vorgänger Abbéville - trug also gewissermaßen das gleiche Inquisitorherz in einem anderen Körper -, aber er war schlauer. Im Gegensatz zu Bruder Nikolaus zeigte er nicht jedermann seine wahre Gesinnung. Über den Wahn Abbévilles, diese Rixende Fabri zu inhaftieren, weil sie die katharischen Schätze zu finden wüsste, spottete er insgeheim. Katharische Schätze? Kinderkram! Mit wie wenig Verstand wurde doch diese Welt regiert! D`Ablis` Ziel war es, Guidonis damit zu beeindrucken, dass er die Gefangenen wieder in seine Hände bekam, die Pequigny der Inquisition entrissen hatte. Um dies zu erreichen, hatte er sich bereits in Toulouse geschickt um Philipps Gunst beworben, indem er dessen Versöhnung mit Benedikt zu fördern suchte. Sein anderes großes Ziel war es, den Schlupfwinkel von Pierre, Guillaume und Jacques Authié ausfindig zu machen.
Diese Oberketzer gedachte er so lange zu jagen, bis er sie in Händen hatte. Und dann: Vae victis ! Wehe den Besiegten!
Hatte man zuvor jahrelang auf den Besuch des Königs gewartet, so verrann nun die Zeit bis zu seinem Eintreffen in Carcassonne im Fluge. Die Konsuln disputierten nicht nur aufgeregt über das Festmahl und die rechte Auswahl der Geschenke, mit denen man den Herrscher gnädig stimmen wollte, sondern sie redeten sich auch die Köpfe heiß, ob man die Bürger zwingen könne, den Inhalt ihres Nachtgeschirrs und sonstigen Unrat nicht nur während der Anwesenheit Philipps nicht länger auf die Gassen zu kippen, sondern auch darüber hinaus. Die Rinnen, die zur Aude führten, konnten nämlich die ständig anwachsende Menge an Fäkalien nicht mehr aufnehmen; und Elias Patrice war sich mit seinen Freunden einig, dass dieser Missstand der wahre Grund für die kürzlich festgestellte Verseuchung zweier Brunnen wäre, und nicht etwa die Ketzer oder die Juden daran die Schuld trugen, wie einige beharrlich meinten. Petrus von Vaisette konnte es sich nicht versagen, in einer längeren Rede darauf hinzuweisen, dass manche Abtritte und Fäkalgruben der reicheren Bürger viel zu nahe bei den öffentlichen Brunnen lägen. Solches hätten ihm auch Brunnenbauer aus Toulouse bestätigt. Patrice stimmte ihm beflissen zu, und die ehrenwerten Senatoren überdachten daraufhin stundenlang vielerlei Möglichkeiten, wie man diese unguten Zustände ändern könnte.
Es wäre besser gewesen, sie hätten angefangen zu beten.
42
Dahin die Schatten unter ihrer Last,
wie der sie spürt, den nachts der Alp geritten ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Helle Fanfarenstöße erklangen, und alle Glocken läuteten ihm entgegen, als Philipp der Schöne in Begleitung von Johanna in Carcassonne einritt. Die Speerspitzen seiner Ritter funkelten in der Sonne, die ganze Stadt war herausgeputzt, Blumen waren
Weitere Kostenlose Bücher