Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
der Alte. „Mein Tod wird niemals freiwillig sein! Ihr seid es doch, der mich langsam verhungern lässt, Herr Inquisitor, nicht etwa die Katharer!“
„Werd nicht frech, Ketzerlein, ich warne dich!“ schnaubte der Inquisitor.
Saint-Georges bemerkte – nicht ohne Genugtuung -, dass Abbéville ärgerlich wurde. Hatte der Alte geglaubt, den Greis mit wenigen listigen Worten überfahren zu können? Die alten Ketzer – wenn Salavert denn einer war - waren die Schlimmsten, nie gaben sie etwas zu, das wusste schließlich jeder Inquisitor. Doch rasch wischte Bruder Fulco den unseligen Zweifel an Abbéville - der ihn im übrigen nicht zum ersten Mal befallen hatte - beiseite. Nikolaus hatte ihm ein hohes Amt angetragen, und zumindest das verdiente Treue.
„Was habe ich schon zu verlieren, Herr?“ Salavert krümmte sich wegen eines elenden Hustenanfalls vornüber. Als er sich wieder beruhigt hatte, sagte er: „Ich bin doch so oder so dem Tode geweiht. Wäre ich tatsächlich Katharer oder Waldenser, so würde ich es Euch offen sagen. Aber ich bin ebenso wenig ein Ketzer wie mein Sohn und der Rest meiner Familie. Niemals ist ein parfait über meine Schwelle getreten. Ich kann mir jedoch gut vorstellen, was Ihr mit meinem Jungen angestellt habt, um ihn zu dieser Aussage zu veranlassen. Welches Marterwerkzeug habt Ihr Herren Inquisitoren und Euer weltlicher Arm, dieser Schwanzlutscher des Seneschalls“ – er warf einen wütenden Blick auf Polignac –, „dieses Mal eingesetzt?“
„Schweig, Salavert“, brüllte Abbéville und befahl Polignac auf seinen Platz zurück, der sich wutschnaubend auf Salavert stürzen wollte.
„Dein Sohn hat völlig freiwillig geredet“, sagte er zu dem Gefangenen, als wieder Ruhe eingekehrt war, „und es ist mithin gerade dein verstocktes und unverschämtes Verhalten, das uns sicher sein lässt, dass du häretisiert worden bist. Du gibst die Sache nur deshalb nicht zu, weil du glaubst, damit dein schönes Haus in Albi und dein Vermögen für deine Kinder und Kindeskinder retten zu können. Doch dies ist ein Trugschluss. Der Verdacht der Ketzerei genügt, dich und deinen Sohn für Jahrzehnte im Loch zu belassen!“
„Also, wenn Ihr es so oder so auf mein Vermögen abgesehen habt, Herr, was nützt es mir dann, zu gestehen?“
„Euch wird es nichts frommen, da habt Ihr recht - doch vielleicht Eurer Seele“, sagte Abbéville kalt.
„Hah, meiner Seele!“ Salavert spuckte vor dem Inquisitor aus. Dann sagte er: „Gott allein weiß um gut und böse, und die Menschen lassen sich nicht bis ans Ende aller Zeiten von Euch verlogenen Kuttenträgern betrügen. Mach dir also lieber Sorgen um dein eigenes Seelenheil, Nikolaus von Abbèville!“
„Stinkiger Bock! Haben wir vielleicht zusammen Schweine gehütet, weil du mich plötzlich duzt?“ schrie der Inquisitor laut.
„Den Adel gibt allein die Tugend“, entgegnete der Alte ungerührt und beschloss, kein einziges Wort mehr zu sagen, komme, was da wolle.
5
Wenn uns zur Rast ans Ufer voller Gram
an Acherons Gestadt, der Fuß getragen ...
Dante , Die Göttliche Komödie
An einem schönen Morgen kurz vor der Hochzeit – der Herbst spann längst Altweiberfäden – gedachte Rixende, sich mit Mengarde auf den Weg zum Wochenmarkt zu machen, um sich nach besonderen Dingen für die Hochzeitstafel umzusehen. Da sie keinen eigenen Korb besaß, wollte sie sich einen der geflochtenen holen, die in der Küche hingen. Bereits vor der Küchentür wunderte sie sich über die ungewohnte Stille, die dort herrschte.
Seltsam, kein Gelächter, kein Geschimpfe? Wo waren nur alle?
Als Rixende eintrat, sah sie in die entsetzten Gesichter ihrer Bediensteten. Die Köchin, ihr Sohn Aucassinne und die junge Josette saßen um den blankgeschrubbten Gesindetisch, unter ihnen ein Fremder im dunklen Kittel, der ein schwarzes Buch in Händen hielt und ebenfalls erschrocken aufsah, als er Rixende bemerkte.
Ihrer Fülle ungeachtet, sprang Benete auf und stellte sich sogleich vor Rixende, um ihr mit ihrem üppigen Altweiberbusen die Sicht auf den Fremden zu nehmen.
„Herrin, Ihr hier, um diese Stunde?“ fragte sie kurzatmig und mit hochrotem Gesicht. Rixende konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Köchin sie aus der Küche hinauszudrängen versuchte.
„Ich wollte mir nur einen Korb holen, Benete, um damit auf den Markt zu gehen, doch ich sehe, dass ich hier offenbar unerwünscht bin“, meinte sie konsterniert.
Benete schüttelte heftig den
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