Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Kirche`, was ich allerdings für übertrieben halte.“
Abbéville kramte in der Truhe. Endlich hatte er die Stelle gefunden.
„Nun merkt auf, Bruder:
´Wer Eintritt in die Ketzersekte begehrt, der küsst zuerst die Altäre aller Heiligen dreimal mit den Arschbacken und widersagt dabei den kirchlichen Sakramenten. Hat er dann das Haus des Ketzermeisters betreten, wird ihm befohlen zu küssen, was immer ihm als erstes über den Weg läuft, wenn er das Haus verlässt. Und sogleich begegnet ihm ein schrecklich großer schwarzer Mann mit fahlem Antlitz; den küsst er und geht weiter. Dann begegnet ihm eine riesige Kröte, fett wie ein Suppentopf, mit weit aufgerissenem Maul; die küsst er ebenso. Auf diese Weise Sektenmitglied geworden, kehrt er in das Haus seines Meisters zurück. Wollen sie nun den Sektenritus ausüben, begeben sie sich heimlich hinab in ihre Höhle oder in ihr Kellerloch. Dort entblößt ihr Bischof oder Meister als erster von allen seine Arschbacken und klemmt einen silbernen Löffel dazwischen. Hat er dann sein Geschäft darauf verrichtet, küssen ihm alle das Hinterteil und erweisen ihm Verehrung. Hernach stehen oder sitzen sie rund um eine Säule. Plötzlich kommt ein riesiger Kater und erklimmt die Säule bis zu der Leuchte, die da befestigt ist. Dort hängt er eine Weile und krümmt dann seinen Schwanz bis zum Rücken. Und alle treten heran und küssen ihm das Hinterteil. Ist das geschehen, so löscht der Kater das Licht, und sogleich treiben sie Unzucht miteinander, Mann und Frau und Frau mit Frau. Auf diese Weise vollzieht sich das Mysterium des Bösen.`“
Abbévilles Augen glänzten, und er leckte sich die Lippen, als er Fulco die Stelle zur Einsichtnahme reichte.
„In summa: Die Ketzer sind Teufelsdiener. Das sagen sie selbst: ´Wer ist der Grund der Welt? Kannst du die Frage lösen? Die Geister sind von Gott, die Körper sind vom Bösen.`
Das dürft Ihr nie vergessen, Bruder Fulco, wenn einer von ihnen vor Euch steht und zum Steinerweichen jammert, um Euer Herz zu rühren! Teufelsdiener!“
„Es ist also nach Eurer Meinung tatsächlich nicht möglich, dass sich unter den Katharern auch solche befinden, die nur verblendet sind?“ wagte Fulco vorsichtig einzuwerfen. „Deren Seelen noch gerettet werden könnten?“
„Gut, gut, möglich ist vieles. Der Kranke wird gesund, der Gesunde krank. Doch wer Satan dient, wer sich Luzibel mit Haut und Haaren verschrieben hat – und hierunter fallen ganz sicher die parfaits -, dem ist mit Argumenten nicht beizukommen. Wer als reus maiestatis Dei verurteilt ist, muss wie Unkraut verbrannt werden. Und es liegt an uns, die Teufelsdiener ausfindig zu machen. Dazu gibt es mannigfaltige Kunstgriffe. Eure Methode war es bislang, den Widerstand mit physischen Schmerzen brechen, mit der Folter, oder mit dem murus strictissimus , dem Vorzimmer des Todes, wie die Leute unseren Kerker nennen. Das alles jedoch schreckt einen echten Katharer nicht ab. Ihr seid noch nicht lange in diesem Amt. Was Ihr noch vervollkommnen müsst, Bruder Fulco, das ist die psychische Methode, ein Geständnis aus einem verstockten Ketzer herauszuholen. Bringt ihn beispielsweise für kurze Zeit in ein besseres Quartier, gebt ihm all das zu essen und zu trinken, auf das er im Loch verzichten musste, und setzt ihn dann unter Druck. Oder schnappt Euch seine Frau, seine kleinen Kinder und schüchtert sie ein, damit sie ihn anflehen, er möge endlich geständig sein, um wenigstens ihr Leben zu retten. Es gibt viele Möglichkeiten, mein Freund, ich sagte es schon - und Zeit spielt keine Rolle ...“
„Ich weiß, worauf Ihr hinauswollt, Bruder Nikolaus“, entgegnete Fulco von Saint-Georges ernst, „es ist der Wechsel zwischen Hoffnung und Verzweiflung, der den Erfolg verspricht, das Spiel mit dem menschlichen Herzen. Das leuchtet mir ein. Doch nach den letzten Verhören, die ich durchgeführt habe, sind mir etliche Zweifel gekommen, ob sich nicht doch Unschuldige unter den Verhafteten befinden.“
„Ach“, sagte Abbéville abfällig, „haben sie Euch schon eingelullt, die heulenden Söhne Belials? Euch ist doch nicht etwa dieser Authié über den Weg gelaufen? Wisst Ihr nicht, dass es heißt, ein Ketzer ist, wer nicht studiert hat und dennoch gelehrt redet? Doch will ich Euch entschuldigen. Ihr seid eben in den Künsten der Katharer nicht gut genug bewandert, weil Ihr noch nicht so lange im Amt seid wie ich. Gebt acht, ich will ein Exempel statuieren und Euch dabei einen der
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