Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
jetzt mein Freund Patrice sagen, nicht wahr?“ Fabri grinste. „Nun, weiter: Der hohe Pinto, der in zehn Stockwerke unterteilt ist, die mit Leitern verbunden sind, dient der Übermittlung von Signalen. Dass er sein Dach verloren haben soll, als er sich dereinst vor Karl dem Großen verneigte, ist natürlich nur ein Märchen! Der gleichfalls viereckige Spähturm Saint-Nazaire ist der Wächter des Südtores. Er besitzt einen eigenen Brunnen, eine Mühle und einen Backofen und ist selbstverständlich in Soldatenhand wie auch der Mühlturm und – nicht zu vergessen - die Porte Narbonnaise mit ihren beiden mächtigen Schnabeltürmen. Dort, im zweiten Stockwerk, befindet sich, beide Türme miteinander verbindend, noch immer der Palas, der große Rittersaal der Trencavel, der heute den Wachsoldaten als Unterkunft dient. Im Nordturm der Porte liegt übrigens die größte Zisterne der Stadt, und im Südturm werden die Vorräte der Garnison verwahrt. Tja, was die anderen Türme angeht ... die meisten der nördlichen sind sehr alt, viele stammen aus der Zeit der Römer wie auch das Mühltor und das Rote Tor und die kleineren Türme um das Château comtal. Sie alle werden noch immer auf Anordnung König Philipps des Schönen ausgebaut, untermauert und befestigt, wie übrigens zur Zeit auch sämtliche Mauern der Stadt mit schweren Buckelquadern verstärkt werden. Das werdet Ihr schon gesehen haben. Der König will Carcassonne zu einem wahren Bollwerk machen. Nun ja ...was gibt es noch über unsere Türme zu sagen?“
Fabri überlegte kurz und schlug sich dann die Stirn. „Jetzt hätte ich beinahe die wichtigsten vergessen! Den Turm der Justiz und den Inquisitionsturm mit dem Loch! Beide haben sich die Dominikaner ausbedungen; was sie dort anstellen, ist uns allen ja bekannt.“ Der alte Mann lachte boshaft auf.
„Die Franziskaner durften natürlich auch nicht zu kurz kommen, sie benutzen, wenn mich nicht alles täuscht, den Balthasar- und den kleinen Berardturm. Ach, meine Liebe, Ihr müsst im Lenzing unbedingt den Turm de Vadé besteigen, Ihr wisst schon, den mächtigen Donjon der äußeren östlichen Mauer, dort habt Ihr einen herrlichen Blick auf die ganze Cité und das Land ringsumher. Erinnert mich daran! Ich kann das für Euch in die Wege leiten!“
„Interessant, wirklich interessant.“ Rixende frohlockte innerlich. Den Franziskanern also gehörte der Berardturm.
Gleich morgen wollte sie Bernhard Délicieux aufsuchen und mit ihm über ihren Plan reden.
Aimeric und seine Gefährten hatten inzwischen beträchtliche Mühe, ein Schiff für die Heimreise aufzutreiben. Zu viele Pilger hatten den gleichen Plan gefasst, und es war nur mit einer saftigen Bestechung möglich gewesen, Platz auf einem Handelsschiff zu ergattern, das nach Marseille auslief. Dort gedachte Aimeric seine Lagerhäuser aufzusuchen, um nach dem Rechten zu sehen, die Pferde auszulösen und dann endlich nach Hause zu reiten.
Zuviel Zeit hatte man in Rom und Anagni vergeudet.
Am zweiten Tag auf See, als er neben Bruder Balbino an Deck stand, dick in seinen Pelz eingewickelt, denn es war kalt und windig, versuchte ihn der Mönch, von dem ebenfalls nur die Nasenspitze aus der Kapuze ragte, zu trösten.
„Schaut doch nicht so unglücklich, Herr Fabri! Unser Versuch ist zwar fehlgeschlagen, aber man wird es Euch gewiss nicht nachtragen, dass Ihr Euch nicht habt erpressen lassen. Macht Euch also keine unnützen Gedanken. Sorge macht alt vor der Zeit, sagt Sirach, der Ecclesiasticus!“
„Nicht um mich mache ich mir Sorgen, sondern um die Leute von Albi ...“
„Wenn sie noch am Leben sind“, warf der Mönch nachdenklich ein. Vielleicht war es ein Fehler, uns Franziskaner nach Rom mitzunehmen, da Bonifatius in genere den Begriff der Armut anders interpretiert als wir. Völlig anders, wie wir ja mit eigenen Augen sehen konnten. Dieser Prunk allüberall! Es war unerträglich. Und Eurem Vater derart perfide zu drohen! Dafür sollte er ... nun, ich will mich nicht versündigen.“
„ Denn es rauben die Räuber … Erinnert Ihr Euch noch, Bruder Balbino? Das Bibelstechen! Bonifatius war damit gemeint, er und kein anderer. Sein Versuch, meinen Vater auszurauben, war eines Papstes nicht würdig, da sind wir uns einig, doch es war ganz im Sinne Abbévilles“, entgegnete Aimeric zornig. „Die Dominikaner haben offenbar ebenfalls eine andere Auffassung von christlicher Armut! Im Gegensatz zu Euch“, Aimeric deutete auf des Mönches nackte,
Weitere Kostenlose Bücher