Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
blaugefrorene Füße, die aus den Strohsandalen lugten, „fehlt es ihnen an nichts. Das hat zur Folge, dass sie immer eingebildeter werden. Kein vernünftiger Mensch kommt mehr mit ihnen aus. Sie gebärden sich wie dreckige Hurensöhne!“
Dass und weshalb Aimeric bei seinen Worten nicht nur an Abbéville, sondern vor allem an Fulco von Saint-Georges dachte, konnte Balbino nicht ahnen. Er hob daher beschwörend die Hände.
„Versündigt Euch nicht, Herr. Es mag aus mancherlei Gründen Dominikaner oder auch andere Ordensmänner geben, die sich derart verhalten - ich nehme dabei auch uns Franziskaner nicht aus -, doch sind die meisten Mönche, gleich welchem Orden sie angehören, sicherlich fromme und redliche Männer. Dass es sich bei der Inquisition anders verhält, liegt daran, dass sie über jedweder Gerichtsbarkeit steht. Das macht es Abbéville und Saint-Georges leicht.“
„Ach, viel zu lange haben wir alle diesem elenden Treiben zugesehen, Ihr Franziskaner mit Euren hehren Zielen, wir Konsuln mit unserer Unentschlossenheit und der Seneschall mit seiner Zwiespältigkeit. Wenn wir wieder zu Hause sind, werde ich sofort eine außerordentliche Sitzung einberufen. Der Senat, der Bischof, sämtliche Vertreter der Stände müssen kommen, ja der Seneschall selbst – es reicht nicht mehr einen Vertreter zu schicken. Dann natürlich Euer Lektor, Bernhard Délicieux - und auch Ihr selbstredend, Bruder Balbino, denn ich brauche Euch als Zeugen. Der erlauchten Versammlung werde ich vorschlagen, ein Bündnis zu bilden und eine gemeinsame Resolution an Philipp den Schönen zu richten.“
Aimeric presste die Lippen aufeinander und sah auf Balbino, der nachdenklich nickte. Dann jedoch grinste er vielsagend.
„Einer fehlt noch in unserem Bund, gewiss. Ich glaube jedoch nicht, dass gerade Ihr als Gottesmann mir einen Rat geben könnt, wie man ihn sich dienstbar macht?“
Der Mönch stutzte.
„Wen meint Ihr, Herr Fabri?“
„Ich rede vom Teufel.“
Balbino bekreuzigte sich rasch. Dann aber sagte er schmunzelnd.
„Vielleicht habt Ihr recht. Quod omnes tangit, ab omnibus tractari et approbari debet! W as alle angeht, soll auch von allen behandelt und bewilligt werden”, sagte der Mönch, „den Teufel eingeschlossen.“
11
Heißt das Gewalt, wenn, der sie hat zu leiden,
dem der Gewalt tut, keinen Finger reicht?
Dante, Die Göttliche Komödie
Das Kloster der Franziskaner in Carcassonne entpuppte sich als ein schlichtes Gebäude an der äußeren östlichen Mauer der Vorstadt. Vor der Pforte ein alter Maulbeerbaum, von dem der Wind im Vorüberstreichen letzte gelbe Blätter pflückte, im Inneren ein düsterer Besucherraum, der aber einen herrlichen Blick auf den Kreuzgang bot, wo die Wintersonne die silbriggrauen Zwillingssäulen der Arkaden in ein unwirkliches Licht tauchte. Karg das Interieur, eiskalt die Wand, an der Rixende lehnte, während sie darauf wartete, zu Bernhard Délicieux vorgelassen zu werden. Außer dem Mönch an der Pforte, der sie seltsam angesehen hatte, war keine Menschenseele zu sehen gewesen. Die eigentliche Wirkungsstätte der Brüder des Heiligen Franz war draußen auf den Straßen und Gassen der Stadt, bei den Armen.
Rixende, die in der Nacht kein Auge zugetan hatte, weil ihr die Gefangenenbefreiung nicht aus dem Sinn hatte gehen wollen, sah sich neugierig um. Zwei Körbe standen herum. Ein großer mit dicken Pinienzapfen und daneben einer kleinerer mit Eichengalläpfeln, aus denen die Mönche Tinte bereiteten. Aus der Ferne hörte sie Pferde wiehern.
Délicieux war überrascht, die Schwiegertochter des Fabri Castel zu sehen. Selten verirrte sich eine Dame in das Kloster, und wenn, dann war es eine Frau, die in Not geraten war. Seine erste Frage galt daher der Gesundheit des alten Fabri.
„Nein, er ist nicht krank, Pater Bernhard, aber auch nicht mehr der Kräftigste. Der Grund für meinen Besuch ist ein anderer.“ Vorsichtig sah sich Rixende nach allen Seiten um. Doch es war niemand in der Nähe, der sie hätte belauschen können.
„Es geht um einen Plan, möglicherweise ist er unbesonnen oder unausführbar, aber ich habe niemanden sonst, mit dem ich mich beraten könnte. Und ich muss Euch ersuchen, meine Worte unter allen Umständen für Euch zu behalten. Vielleicht könnt Ihr mir auch gar nicht helfen.“
Erstaunt blickte Délicieux in das Gesicht der jungen Frau.
„Natürlich, über alles was Ihr mir anvertrauen werdet, gelobe ich Stillschweigen zu bewahren. Hat Euer
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