Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
daran mangelt?“
„Ein wenig hochmütig kommt Ihr mir schon vor“, sagte Rixende vorsichtig. „Vielleicht tue ich Euch Unrecht, aber Ihr erweckt zumindest bei vielen Leuten diesen Eindruck.“
Diese Rixende Fabri war keine einfache Frau. Doch vielleicht war es gerade das, was Saint-Georges faszinierte. Daran, dass seine Worte Widerhall gefunden hatten, zweifelte sein Stolz nicht.
„Wie ich sehe, habt Ihr das Einhorn in Euer Kontor gehängt“, sagte er nach einer Weile.
„Ja“, antwortete Rixende. „Ich umgebe mich gerne mit schönen Dingen, vor allem, wenn ich arbeite.“
„Das Schönste hier im Raum seid jedoch Ihr selbst, Rixende Fabri“, antwortete ihr Fulco aus einem jähen Impuls heraus, bevor er aufstand, um sich zu verabschieden. „Ihr seid ein Kleinod unter allen Frauen. Dennoch habe ich einmal eine Frau gekannt, die Euch sehr ähnlich sah.“
Aber das ist eine lange Geschichte. Eines Tages werde ich Sie Euch erzählen.“
Rixende nickte erleichtert, weil Saint-Georges sich endlich anschickte zu gehen. „Ja, eines Tages ... Vielleicht.“
18
Dem Geist verborgen, kann auch keiner sagen,
wo solchen Urbegehrens Trieb begann ...
Dante, Die Göttliche Komödie
Als der Inquisitor gegangen war, blieb Rixende gedankenverloren hinter ihrem Arbeitstisch.
Was sollte sie von diesem Gespräch halten? War sie zu freundlich zu dem Mann gewesen? Die Muhme Mengarde hätte sie jetzt gewiss ausgeschimpft, doch …
Plötzlich schreckte sie lautes Geschrei auf. Auf der im gleißenden Sonnenlicht liegenden Gasse hatte sich Pöbel zusammengerottet. Die Fäuste erhoben, schrien die Menschen Schmähworte hinter Saint-Georges her, der mit wehendem Umhang zum Turm der Justiz eilte.
Einer unter ihnen, ein kleiner drahtiger Bursche mit krummen Beinen, schrie:
„Es gibt vier Teufel auf dieser Welt, der Oberteufel sitzt in Rom, der andere ist der Herr König von Frankreich, der dritte der Bischof von Albi und der vierte der Inquisitor von Carcassonne!“
Die Menge grölte. Eine Frau, die Hände in die Hüften gestemmt, geiferte laut: „Macht die Kirchentüren wieder auf, sonst wird man euch eines schönen Tages mit abgeschnittenem Kopf auffinden!“
Endlich war Fulco von Saint-Georges außer Sicht.
Rixende schlug das Rechnungsbuch auf. Doch in ihrem Kopf schwirrten die Gedanken nur so herum. Lange saß sie untätig da, betrachtete zuerst die vor ihr liegenden Zahlen, dann ihre Hände und anschließend das weiße Einhorn, das sie erst tags zuvor aus einem Impuls heraus an die Wand gehängt hatte. Am Ende dachte sie über die Liebe nach, die augenscheinlich kam und ging, wann und wie es ihr gefiel.
Die Ankunft Ibrahim ben Suleymans verzögerte sich. Eines schönen Morgens – die Schatten wurden schon länger und die Bäume waren bereits herbstlich gefärbt - kam ein Bote, der eine Nachricht von ihm brachte:
Hochverehrte Frau! Mein ehrenwerter Freund Castel Fabri – mögen die Tore des Paradieses für ihn offenstehen - hat mich gebeten, Euch beizustehen, weil Euer Mann verschollen ist und er seinen Tod vor Augen sieht.
Leider kann ich nicht selbst zu Euch eilen, da mich wichtige Geschäfte nach Damaskus rufen. Übers Jahr will ich aber kommen, um alles zu regeln. Ich sende Euch einstweilen einen jungen Mann, dem Ihr ebenso vertrauen könnt, wie ich ihm vertraue. Er ist in alles eingeweiht, und er weiß Euch viele Wege abzunehmen. Der Tuchhandel ist ihm von Kindesbeinen an vertraut. Sein Name ist Abu Ras Anfa.
Als Rixende das Pergament gelesen hatte, das in der Wortwahl etwas ungewöhnlich, aber in ausgezeichnetem Latein verfasst war, bat sie den Boten zu sich.
„Ihr selbst seid Abu Ras Anfa, nicht wahr?“
Der Muselmane nickte und verbeugte sich vor Rixende. Sah man von seinen leicht stechenden gelbbraunen Augen ab, die von buschigen Brauen umschattet wurden, war er ein wirklich gutaussehender junger Mann.
„Ja, Herrin, ich soll Euch in allen geschäftlichen Belangen zur Seite stehen, so hat es Ibrahim ben Suleyman, mein Oheim, bestimmt, als ich in Barcelona bei ihm vorsprach. Er sendet Euch dieses Geschenk.“
Mit diesen Worten überreichte er Rixende ein gut verschnürtes Bündel, das sich nach dem Auspacken als ein golddurchwirkter Damast herausstellte, von einer Vortrefflichkeit, wie ihn selbst im Haus Fabri noch nie jemand gesehen hatte.
„Dieser Tomask“, sagte der Sarazene stolz, „wurde mit Goldfäden verarbeitet, die unsere Frauen mitunter auch in ihre Haare flechten.“
Rixende
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