Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
Abbéville! Daher frage ich Euch heute, in dieser Stunde, als Christenmenschen, nicht als Inquisitor – wenn auch das eine das andere nicht explizit ausschließt, nicht wahr -, wollt Ihr es tatsächlich so weit kommen lassen, dass Rom auch noch das Anathem ausspricht? Ist es nicht vielmehr opportun, gemeinsam mit dem Senat einen Weg zu suchen, wie die Exkommunikation wieder aufgehoben werden kann? Ich stelle mich gerne als Vermittler zur Verfügung.“
Abbéville schwieg erneut.
Nach einiger Zeit stand er auf, geleitete Délicieux höflich zur Tür und sagte:
„Vielleicht habt Ihr recht: Omnia ad majorem Dei Gloriam. Alles zur größeren Ehre Gottes! Meine Bedingungen zur Rücknahme der Exkommunikation werdet Ihr in Kürze erfahren. Der Herr segne Euch.“
Das Lamm hatte über den Wolf gesiegt. Zumindest in diesem Augenblick. Délicieux’ Wortgewandtheit, seine Anpassungsfähigkeit und sein Talent, unbequeme Dinge so auszusprechen, dass sie sein Gegenüber nicht verletzten, hatten Abbéville in die Defensive gedrängt.
Und so kam es, dass Fulco von Saint-Georges den Inquisitor auffällig gedankenverloren antraf, als er kurz darauf die Schreibstube betrat, um ihm das Ergebnis seiner Untersuchungen bezüglich des Verschwindens der drei Gefangenen bekanntzugeben. Erst ganz am Ende seiner Schilderungen hatte Abbéville aufgemerkt und gefragt:
„Wohin soll dieser geheime Gang führen, sagtet Ihr soeben, Bruder Fulco?“
Saint-Georges räusperte sich. „In den Berardturm, den die Franziskaner in Besitz haben.“
Da fuhr Abbéville wie von einer Tarantel gestochen hoch. „Die Franziskaner? Seid Ihr sicher?“
Saint-Georges nickte. „Ganz sicher, Bruder!“
Abbévilles Augen flackerten, sein Gesicht hatte eine gefährliche Röte angenommen. Leise fluchte er vor sich hin: „Délicieux, deine Nase soll im Arsch eines Hundes stecken!“
„Es befindet sich dort aber nur altes Gerümpel, Bruder Nikolaus. Wir haben uns genau umgesehen. Nichts deutet darauf hin, dass irgend jemand in letzter Zeit den Berardturm betreten hat. Auch haben die Wachen an der Porte Narbonnaise nichts Auffälliges beobachtet.“
Saint-Georges, der inzwischen zutiefst bereute, die Begegnung mit Rixende Fabri vor dem Berardturm verschwiegen zu haben, log. Hätte er jedoch wahrheitsgemäß berichtet, dass mehrere Leute gesehen hatten, dass ein Karren der Fabris vor dem Turm abgeladen worden war, müsste die Witwe zum Verhör vor Abbéville erscheinen. Dass dabei auch das nächtliche Zusammentreffen zur Sprache kam, würde sich dann nicht verhindern lassen.
„Die süßen Spielmänner Gottes“, höhnte Abbéville, ohne auf Saint-Georges Erklärung näher einzugehen. „Wer weiß, was die Albigenser ihnen angeboten haben für die Befreiung der Gefangenen - und das, obwohl das Herz der Franziskaner für die Frau Armut schlägt. Ha, sage ich da nur! Ha! Allesamt Heuchler, Narren und Toren! Scientia inflat – Wissen bläht auf, krähen sie den lieben langen Tag! Nun, das Latein, dass jener Franz schrieb, war so einfältig wie sein ganzes Leben! Ein Narr und ein Tor war er, mit seinem redseligen philosophischen Gefasel – wie übrigens auch unser frommer Délicieux! Aber das werden sie mir büßen ... ich schwöre es!“
Abbéville hieb donnernd die Faust auf den Tisch. Dann schrie er nach seinem Schreiber, „Fébus, schickt auf der Stelle einen unserer Leute zu den Franziskanern, am besten als Bettler verkleidet. Er soll sich dort eine Zeitlang umhören. Diesem Honigmaul Délicieux ist nicht über den Weg zu trauen.“
Rixendes Erschrecken hielt sich in Grenzen, als man ihr Fulco von Saint-Georges meldete, denn auf unangenehme Fragen seitens der Inquisition hatte sie Délicieux vorbereitet. Aber sie war froh, dass sie dem Vorschlag des Franziskaners gefolgt war, Paco für einige Zeit ins Kloster zu stecken, damit sich der Junge bei einem Verhör nicht verriet.
Saint-Georges also, fuhr es ihr durch den Kopf, und sie dachte bei sich, besser er, als Abbéville. Sie sah an sich herunter und war zufrieden. Das Gewand, das sie trug, grüne und schwarze Seide, war genau richtig, um ihre Trauer über Aimerics Tod zu zeigen, und die aus dem gleichen Stoff genähte Gebende brachte ihr ebenmäßiges Antlitz gewiss aufs beste zur Geltung. Sie war eine untadelige Witwe und … sie würde ihr Herz im Griff haben. Trotz dieses hehren Vorsatzes befand sich Rixende aber offenbar im Widerstreit mit ihren Gefühlen, denn ihre Hände führten ein
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