Rixende ... : Historischer Roman (German Edition)
schreibt, dass die ganze Bürgerschaft offenkundigen Ketzern Hilfe geleistet habe. Woher, wenn nicht von Euch, Bruder Nikolaus, will er das erfahren haben? Und was habt Ihr mit einer solch umfassenden Anschuldigung bezweckt, wenn doch jedermann weiß, dass Bonifatius’ Verärgerung im Grunde mit der Verweigerung einer bestimmten Summe Geldes zusammenhängt, die der junge Fabri zu verantworten hatte?“
Nikolaus wurde unruhig.
„Von wem habt Ihr das erfahren?“
„Nun, drei meiner Brüder waren bei dem Gespräch zugegen und ...“
„Schwätzer!“ fuhr Abbéville hoch. „Es hat sich längst herumgesprochen, Eure Brüder sind ebenso tot wie Aimeric Fabri, der in der Tat so unbedacht war, den Papst zu brüskieren. Also, ich frage Euch noch einmal, Délicieux: Woher wollt Ihr solches erfahren haben?“
„Tja“, Délicieux ließ keine Regung erkennen, was Abbéville noch mehr verunsicherte, „es ist so, dass wir die die Aufzeichnungen eines unserer Toten gefunden haben, des Bruders Balbino, und dort steht es geschrieben.“
„Wie? Was? Er hat das Gespräch ...?“
„´ Wir wissen, auf wen sich die Leute verlassen, aber bei Gott: Alle Könige der Christenheit werden das Volk von Carcassonne nicht vor der Verbrennung retten, und besonders Euren Vater nicht! Roma locuta, causa finita!`“ zitierte Délicieux.
„Auf dem Schiff, das ihn nach Marseille führte, hat er jedes Wort aufgeschrieben, das Bonifatius gesagt hat. Sein Erpressungsversuch und ...“
Abbéville brauste auf: „Nehmt Euch ja in acht! Ihr sprecht vom Heiligen Vater!“
„Lasst mich bitte ausreden, Bruder!“ Délicieux blieb gelassen. „Bonifatius` ´Erpressungsversuch` – mir fehlen leider andere Worte - ist fehlgeschlagen. Der junge Fabri hat sich nicht darauf eingelassen. Ich will den Heiligen Vater nicht kritisieren, doch was macht er nun? In seiner Wut exkommuniziert er Carcassonne, beraubt einer ganzen Bürgerschaft der Sakramente, treibt sie obendrein in den Ruin. Denn wer wird mit einer Stadt, über der vielleicht auch das Anathem, die ewige Verdammnis, schwebt, zukünftig noch Geschäfte machen? Es interessiert mich, wie Ihr persönlich solch ein Verhalten beurteilt? Es ist unwürdig, nicht wahr? Da gebt Ihr mir doch sicher recht! Was der Mensch sät, das wird er ernten. Vielleicht war das Auftauchen der Aufzeichnungen unseres Bruders bereits ein Fingerzeig Gottes. Und dann ist da noch die ungeklärte Angelegenheit mit – verzeiht, es ist nicht meine Ausdrucksweise – mit gewissen ´Hunden des Herrn`, die, wie uns jemand erzählt hat, vor dem Überfall auf Aimeric Fabri einem bestimmten Mann die Hand geleckt haben sollen.“
Abbéville war bei des Franziskaners Worten immer unruhiger geworden. Lange sagte er kein Wort, lief nur im Raum auf und ab. Endlich nahm er wieder hinter dem großen Richtertisch Platz und sagte, ohne auf Délicieux` Anspielung einzugehen:
„Der Heilige Vater beruft sich in all seinen Entscheidungen auf die Zweischwerterlehre. Schon Lukas sagt, dass Christus die geistliche und zugleich die weltliche Macht allein der Kirche anvertraut hat. Somit droht den Bürgern von Carcassonne im Falle weiteren Aufbegehrens tatsächlich das Anathem, der endgültige Fluch und Ausschluss. Es ist daher nicht nur für die Unbelehrbaren dieser und anderer Städte absolut und heilsnotwendig, sondern für jeden anderen Menschen auch, ob König oder Bettler: Er muss dem römischen Papst unbedingten Gehorsam erweisen. Hier weht der Geist eben nicht, wo er will! Und jetzt ist es an Euch, mir recht zu geben!“
Délicieux nickte.
„Einverstanden. Wo aber steht der Beweis, dass beide Schwerter dereinst der Kirche überreicht wurden? Man kann Lukas auch so interpretieren, dass es in der Welt zwei Mächte gibt, die der Kirche und die des Königs, nicht wahr?“
Abbéville zog die Mundwinkel nach unten. „ Extra ecclesia nulla salus . Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil. Punktum.“
Délicieux lächelte. Er zeigte sich noch immer überaus geschmeidig, bewahrte äußerste Ruhe, um Abbéville nicht zu reizen.
„Erneut einverstanden, Bruder Nikolaus. So ist Eure Überzeugung. Ich halte mich allerdings lieber an das Wort Omnia ad majorem Dei Gloriam. Aber ich anerkenne durchaus, dass unsere Kirche sich als oberste Macht in dieser Welt sieht. Ich anerkenne auch, dass aus diesem Grunde das Schicksal der Bürger Carcassonnes und Albis in Eurer Hand liegt. Ihr tragt damit allerdings eine große Verantwortung, Nikolaus von
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