Riyala - Tochter der Edelsteinwelt 2: Der dunkel glitzernde Weg: Fantasy (German Edition)
Wellenrauschen.
Noch nie zuvor hatte Riyala die Stimme eines ihrer magischen Steine so deutlich gehört – und nun fühlte sie auch einen unglaublich starken Strom der Magie. Es war wie eine gewaltige, machtvolle Woge, die sie durchpulste ...
Was aber sollte sie jetzt damit tun?
„Riyala, nimm den zweiten Bogen!“, schrie Hoky. „Und Brandpfeile her, so viele wie möglich!“
„Nein!“, rief Riyala zurück. Blitzartig kam ihr die Erkenntnis, deren Licht in blendender Helligkeit erstrahlte. „Nein, nimm meine Hand, Hoky – und vertrau mir!“
Er tat es, wenngleich zögernd. Aber der Ruf der jungen Frau, von der er noch immer nicht allzu viel hielt, hatte so fest und selbstsicher geklungen ... und ihre sonst traurigen und ernsten Augen leuchteten so intensiv ...
Kaum hatte er ihre Hand gefasst, erhob sich ein Sturm! Und dieses unwahrscheinlich plötzliche Ereignis trat so überraschend ein, dass Hoky große runde Augen bekam. Er sperrte Mund und Nase auf. Es war sogar mehr als ein Sturm – ein magischer ORKAN kam über die Namenlosen Sümpfe! Die gesamte tote Landschaft erbebte, als das übernatürliche Unwetter sie durchtoste – die Sumpfleute wirbelten wie Schlammflocken durch die Luft, wurden auseinandergetrieben und vom Winde verweht – Strauchwerk ächzte, junge Bäume wurden entwurzelt –
Inmitten dieser Gewalten aber – im Auge des Sturms – stand Riyala, vollkommen gelassen und stolz aufgerichtet, und hob einfach nur die linke Hand mit dem türkisblauen Edelstein.
Da! – Hoky konnte es nicht fassen; jetzt glaubte er seinen Augen vollends nicht mehr zu trauen – ein riesiger blauer Wirbel tat sich vor den zwei Gefährten auf und saugte zuerst Riyala wie durch einen Trichter in sich hinein. Und der Zwerg wurde mitgerissen. Er wollte schreien, aber der wirbelnde blaue Sog raubte ihm die Sinne, und sein Bewusstsein entfloh.
*
Riyala träumte.
Wenigstens glaubte sie, dass es ein Traum war oder vielmehr ... Traumschichten, übereinander gelagert – doch alles schien so wirklich und greifbar nah ...
Zuallererst sah sie Nohtal, dessen Augen finster glühten, und an dessen Seite sie – Sandirilia entdeckte. Deren Gesicht war vor Hass zu einer unmenschlichen Fratze verzerrt ... sie hatte nichts mehr mit jenem jungen, verängstigten Gauklermädchen gemeinsam, das einst von Riyala so schlecht behandelt worden war ... Sandirilias Gesicht war mit fremdem Blut bemalt – scharlachrot leuchteten seltsame Symbole auf ihrer Haut, so dass sie wie eine mörderische Barbarin aussah. Höhnisch und triumphierend zugleich blickte der hagere Nohtal auf Sandirilia herab und legte den Arm um ihre Schultern – um dann seine gnadenlosen Augen wieder auf Riyala zu richten.
Die Traumszenerie wechselte, und neben abgerissenen Bildfetzen aus ihrer eigenen, schuldbeladenen Vergangenheit war es fast so, als habe sie das Dunkle Traumgift der Höhlenschlangen zu sich genommen: Sie bekam Einblick in eine andere, fremde Welt, und zwar so klar und intensiv, als sei sie im Inneren lebendiger Geschichten ...
Eine junge Frau das erste, was Riyala wahrnahm ... Ayrun war ihr Name, und sie lebte in einer Welt, in der Eis und Schnee regierten ...
Ayrun war ein hochgewachsenes, schlankes Mädchen von siebzehn Jahren. Schmale eisblaue Augen blickten ernst aus dem jungen, gleichwohl recht kantigen Gesicht, dessen herausragendstes Merkmal eine leicht gekrümmte Nase war.
In ihr glattes, schulterlanges, violettbraunes Haar waren einige grüne Strähnen hineingefärbt.
Ayrun bewegte sich bedächtig; Eile und Übermut schienen ihr fremd zu sein. Jedoch sah man ihren kräftigen, schöngeformten Händen an, dass sie rasch zupacken konnten. Wie stets trug Ayrun ihren Jagdbogen über der Schulter und – verborgen unter dem Pelz, der ihr bis über die Hüften reichte – ihren Hirschfänger.
Ihre rechte Hand tastete nach ihrem Halsschmuck, einem Goldtropfen an einer schwarzen Lederschnur. Noch vor einem Jahr hatte er Nirikels Hals geziert.
„
Mutter, ich gehe, sobald der neue Tag anbricht.“
Die Liebe und Ehrfurcht, die Ayrun für ihre Pflegemutter empfand, bestand unverändert weiter, unbeeinflusst vom Tod, der als Erlöser zu der schwer leidenden Frau gekommen war.
Als Ayrun aufblickte, sah sie einen schwarzen Vogel, den sie gut kannte. Er lebte schon so lange wie sie selbst in der Nähe der Hütte. Ayrun wartete, ob er sich auf ihren Kopf setzen und ihr das Haar zerzausen wollte, wie er es oft tat, doch das war
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