ROAD TRIP // Die erfolgloseste Band der Welt geht auf Tour (German Edition)
die haben gestern auch ein paar andere Bands genommen, das
ging total klar. Ich zieh die dann ja auf der Anlage noch genug hoch.“
„Äh. Ja, ok. Geil. Dann holen wir die Box hoch und dann checken wir
noch mal kurz durch?“
„Genau so. Und kein Stress, Jungs! Heute ist Sonntag, wisst ihr ja.“
Er zwinkert uns wieder zu und bückt sich, um an seinem Schienbein zu
kratzen. Auch er ist barfuß.
„Mikros sind schon an. Wenn ihr so weit seid, gebt mir einfach ein
Zeichen.“
„Cool, danke!“ „Nichts zu danken, Jungs. Überhaupt nichts zu danken.“ 40. Ziemlich fertig, übermotiviert und unschuldig
Der Soundcheck verläuft wirklich stressfrei. Alles klingt von Anfang an
super. Der große Platz vor uns erstrahlt im hellen Sonnenschein, der
Himmel ist wolkenfrei und die Bühne steht so, dass wir nicht geblendet
werden und trotzdem in der Sonne spielen. Während Alex den Bass
checkt, ziehe ich mein T-Shirt aus und der Gitarrengurt reibt angenehm
auf meiner Schulter, die von einem leichten Wind gestreichelt wird. Ein
bisschen wie Urlaub. Auch die Bühne fühlt sich gut an unter meinen
nackten Füßen. Typischer Bühnenboden ist immer leicht flexibel und
aus ganz glattem Material, so dass man drauf herum springen und
rutschen kann, ohne dass es weh tut. Eigentlich mag ich Musiker nicht,
die barfuß auf die Bühne gehen. Ich finde das immer ein bisschen
pseudo-spirituell. Und mit diesem ‘Ich fühle die Musik und stehe mit
geschlossenen Augen auf der Bühne und spiele meinen
experimentellen Grunge-Rock während meine langen braun-gelockten
Haare, auf die die Mädchen so stehen, lässig in mein Gesicht fallen’
konnte ich nie was anfangen. Aber die unbeschwerte Laune von diesem
Festival steckte an. Und auch die Sonne fühlt sich richtig gut an auf
meiner aufgewärmten Haut. „Wollt ihr irgendwie noch ein Intro abspielen oder so? Ich hab da nichts
bekommen, oder?!“, fragt uns Eddie, der in seinem Zelt ein kleines
Mikrofon stehen hat, durch die Monitorboxen.
„Ne, haben wir nicht. Wir würden einfach so anfangen, glaub ich. Oder?“
Alex dreht sich unsicher zu uns um.
„Klar, fangen wir an! Ich bin heiß, man!“, grinst Benni und spielt einen
kurzen Wirbel auf seiner Snare-Drum. Auch ich nicke Alex zu.
„Ja, wir fangen einfach an“
„Sauber. Intros sind eh überbewertet. Ich mach euch jetzt nach außen
laut, Jungs. Viel Spaß!“
Ich sehe, wie Eddie sich hinter seinem Mischpult einen neuen Joint
anzündet und danach unsere Regler hochzieht. Was für ein geiler Typ,
denke ich, und drehe meine Gitarre auf.
Auch Alex dreht an seinem Bass und geht dann ans Mikro:
„Hallo Umsonst&Draussen-Festival in Karlstadt! Wir sind ziemlich fertig,
übermotiviert und vor allen Dingen unschuldig. Außerdem sind wir in
der nächsten Stunde eure Live-Unterhaltung!“
Während Alex redet, drehe ich meine Gitarre so auf den Rücken, dass
eine immer lauter werdende Rückkopplung aus den Boxen schwillt, deren Lautstärke ich gekonnt kontrolliere. Ich schaue zu Alex herüber.
Auch er hat sich vor dem Auftritt sein T-Shirt und die Schuhe
ausgezogen und wie er da steht, mit dem lilanen Bassgurt um den
türkisen Bass und der Sonne hinter sich, und wie er sich ein wenig zu
seinem tief stehenden Mikrofon bücken muss, in das er selbstbewusst
hinein brüllt, sieht er so sehr aus wie ein verdammter Rockstar, dass ich
eine Gänsehaut bekomme.
„Ich glaube Eddie hat uns ganz schön laut aufgedreht, also findet euch
besser schon mal mit uns ab, so leicht entkommt ihr uns nämlich nicht!
Der nächste Song heißt ‘Your brother breaks my leg if I break your
heart, so I will love you til death will tear us apart’. Viel Spaß damit!“
Noch während die versprenkelt auf dem Rasen sitzenden Teenager und
Familien zum Applaus ansetzen, startet Alex den Basslauf, der den
Song einleitet und ich sehe, dass Eddie mit verschränkten Armen hinter
seinem Mischpult steht und grinsend nickt. Auch ich muss grinsen und
starte mit einem Sprung in die krachende erste Strophe des Songs, bei
dem ich meine angewinkelten Beine so zu Seite hochziehe, wie ich es
von den tausenden Konzerten meiner vielen Vorbilder kenne, die ich mir zuhause in meinem kleinen Zimmer auf meinem kleinen Fernseher
angeschaut habe.
Ich mache mir keine Sorgen darüber, ob ich dabei scheiße aussehe oder
nicht. 41. Lina
Nach dem Auftritt sitze ich alleine am
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