Robert Enke
gehörst zu den zweiten.« »Uiuiui!«, rief Christian Hochstätter, der mit
33 gerne den Stammesältesten des Teams gab.
Wenn Villa sich mit 18 erlaubte, was kein 18-Jähriger sich bei der Borussia erlauben durfte, grinsten die Älteren innerlich,
und der Große Effenberg schlug ihm auf die Schultern. Villa schoss Tore, und zudem gibt es Menschen, die jeder sofort mag,
ohne genau zu verstehen, warum. Marco Villa gehört dazu.
Robert Enke machte nie Scherze mit Seife und Unterhosen. Aber er war auf wunderbar schwerelose Art glücklich, wenn andere
in seiner Nähe albern waren.
|42| Manager Rolf Rüssmann betrat die Umkleidekabine.
»Hat mal einer Gesichtscreme? Meine Haut ist so trocken.«
»Hier«, sagte Außenverteidiger Stephan Passlack.
Fünf Minuten später war Rüssmanns Gesicht in eine Kunststoffmaske gepresst. Passlack hatte ihm Haargel gegeben.
Nach dem Training war Robert Enke schnell zu Hause. Es waren nur fünf Minuten vom Bökelberg zu ihrer Wohnung im Loosenweg.
Er blieb nicht, wenn die anderen Fußballer noch etwas essen gingen. Er dachte, dass er nicht dabei sein sollte, der Neuling,
der dritte Torwart.
Drei- und vierstöckige Mietblöcke aus ockerbraunen Klinkersteinen stehen im Loosenweg nebeneinander, hier läuft die Stadt
aus. In den Gärten wehen heute Deutschlandfahnen. Damals standen Porzellangänse mit Schleifchen um den Hals auf dem Rasen
des Gemeinschaftsgartens.
Obwohl Robert bereits zur Gehaltsklasse der Besserverdienenden gehörte, überwiesen Teresas Eltern monatlich die Hälfte der
Miete. So wie es sich nach ihren Vorstellungen im Studium der Tochter gehörte.
Jeden Tag fuhr Teresa die dreißig Kilometer zur Universität nach Düsseldorf, Studiengang Lehramt, Fächer Sport und Deutsch,
und nach den Vorlesungen fuhr sie wieder nach Hause. Sie wollte bei Robert sein, auch schienen die anderen Studenten bereits
feste Freundeskreise in den Wohnheimen gefunden zu haben. Sie wusste nicht recht, wie sie sich integrieren sollte. Plakate
kündigten eine große Mensaparty an, und sie beschloss, mit Robert zu dem Fest zu gehen.
Die meiste Zeit standen sie allein da.
Sie musste plötzlich an ihre alte Schulfreundin Chris aus Bad Windsheim denken. Melancholisch schickte sie der alten Freundin
eine SMS: »Weißt du noch, wie wir mit 13 immer im
Café Ritter
saßen und uns das Universitätsleben vorstellten, mit der täglichen Frage: Gehen wir in eine Vorlesung oder doch ins Café?«
Nur der Studentenjob erinnerte sie an ihre ursprüngliche Idee vom Universitätsleben. Sie arbeitete in einem Schuhgeschäft. |43| »Leider habe ich dreißig Prozent Rabatt bekommen, da war das verdiente Geld noch im Laden schnell wieder ausgegeben.«
Er staunte, wie leichtherzig sie ihr Geld für Schuhe ausgab. Ihm fiel es schwer, sich etwas Teures zu kaufen. Auf sein Geld,
fand er, müsse man aufpassen.
»Entschuldigung«, sagte der Bankangestellte, als Teresa einmal Geld vom gemeinsamen Konto abhob, »aber bei Ihrem Kontostand
frage ich mich gerade, ob Ihr Freund und Sie das Geld nicht mal irgendwie anlegen wollen?«
Robert Enkes Gehalt ging auf sein Girokonto, und dort ließ er es liegen. Er hatte Flippis gebrauchten Peugeot gegen einen
kleinen Audi getauscht, er kaufte sich zweimal im Jahr Kleidung, Sommer wie Winter im Schlussverkauf, und hatte ansonsten
wenig Wünsche, die man sich mit Geld erfüllte. Er lag gerne mit Teresa zu Hause auf dem Sofa.
Wenn sie für die Universität lernte, schaltete er den Fernseher ein oder las Zeitung, gelegentlich einen Kriminalroman, aber
er ging nicht aus. Er wartete darauf, dass sie mit dem Lernen fertig wurde.
Als Teresa ein Jahrzehnt später am Tag nach seinem Tod mit ihren offenen Worten über Roberts Depressionen die Öffentlichkeit
bewegte, werden viele in ihr die starke Frau gesehen haben, die doch hinter jedem starken Mann stehe. Ihre Freunde dagegen
haben in all den Jahren davor das Gefühl gehabt, dass die beiden einfach immer füreinander da waren. In Mönchengladbach, zum
ersten Mal gemeinsam alleine in einer fremden Stadt, entstand eine vollkommene Nähe zwischen ihnen. »Wir gehen ja auch mal
ohne Frauen aus«, sagt Torsten Ziegner, der Ziege, der Freund aus Jena, »das gab es beim Enkus eigentlich nicht. Wenn du mit
dem Enkus verabredet warst, warst du mit ihm und Teresa verabredet.«
Sie waren glücklich in der frischen Unabhängigkeit von den Eltern, mit all den Erfahrungen dieser Lebensphase,
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