Robert Enke
Kamps im Training, verglich und orientierte sich am deutschen Modell, spektakulär zu retten statt vorausschauend
zu agieren.
Nach einem Dreivierteljahr in Mönchengladbach erhielt er erstes Lob. »Die Borussia kann sich glücklich schätzen, diesen Jungen
zu haben«, sagte der neue Trainer Hannes Bongartz der
Rheinischen Post
. »Ihm gehört die Zukunft.«
Robert Enke hatte in seinen ersten Monaten bei der Borussia gelernt, dass Fußball kein Spiel, sondern Kampf sei, dass Fußballer
ihre Ziele mit Druckmachen und Druckbekommen erreichten. Aber was ihn betraf, so fühlte er sich von Bongartz’ Lob beflügelt
wie von keinem Druck.
Bei der Saisonabschlussfeier, bei der die Borussia weniger ihren belanglosen elften Rang als den Fakt feierte, dass das Spieljahr
vorbei war, wollte er gegen Mitternacht nach Hause. Teresa mochte gerne noch bleiben.
Sie war neugierig auf diese Bundesligawelt, außerdem gab es endlich einmal ein Fest, wie sie sich viele von der Universität
erhofft hatte. Sie saßen in einem Gewächshaus. Ein Blumengroßhandel war für die Feier umgestaltet worden.
»Dann bleib du noch, ich gehe nach Hause«, sagte Robert und verabschiedete sich.
Die letzte Handvoll Spieler weilte noch auf der Feier, als Stefan Effenberg in die Nacht rief: »So, wo gehen wir jetzt noch
hin?«
Effenberg war als Fußballer längst zu groß für die Borussia und musste dieses Gefühl des Öfteren kompensieren.
|49| »Wir können auch noch zu uns gehen«, sagte Teresa, so wie sie es an der Universität gesagt hätte.
»Nein, lass mal«, sagte Effenbergs Frau. Das kam offenbar gar nicht infrage.
Als Teresa Robert am nächsten Morgen davon erzählte, antwortete er: »Wenn ihr hierhergekommen wärt, hätte ich sie rausgeworfen.
Und dich mit ihnen.« Sie erschrak über den Ernst in seiner Stimme.
Sie tat sich schwer zu verstehen, warum er meistens nur still wurde, wenn andere laut feierten. »Heute bin ich stolz auf ihn,
dass er damals schon so einen festen Charakter hatte«, sagt sie, »dass er sagte: ›Ich mache eben nicht gerne Party, also gehe
ich auch nicht auf ein Fest oder in eine Disko, selbst wenn alle anderen mich dazu drängen.‹«
Er schätzte Effenberg für seine Art, mit jungen Spielern fürsorglich wie ein großer Bruder umzugehen. Wenn einer wie Marco
Villa mit 18 begeisternd spielte, zollte ihm Effenberg nicht nur Respekt, sondern gewährte ihm Schutz. Aber anders als Marco
hatte Robert Enke kein Interesse daran, die Welt der Effenbergs und Kamps’ außerhalb des Bökelbergs zu erkunden. Er hatte
ein Bild im Kopf von Nächten im Neonlicht mit großspurigem Gehabe, und er fühlte, er passe dort nicht hinein.
Gelegentlich gab es für Robert Enke Ferien vom anonymen Alltag als Ersatz des Ersatztorwarts. Zu den Junioren-Länderspielen
wurde er weiterhin als Nummer eins berufen. In Belfast spielten sie gegen Nordirland, er teilte sich mit Marco das Hotelzimmer.
Sie kannten die Angewohnheit von Junioren-Bundestrainer Hannes Löhr, am Vorabend noch einmal aufs Zimmer zu kommen und sie
auf die Partie einzustimmen. Sie kannten nach einem Jahr aber auch Löhrs Sprüche.
Morgen müssen wir unbedingt gewinnen. Das ist ein ganz wichtiges Spiel.
»Ich habe heute keinen Bock drauf«, sagte Robert.
Und sie schoben den Fernseher von innen direkt vor die Zimmertür. Wie erwartet, klopfte es gegen halb neun.
»Wer ist da?«
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Robert im Trikot der Junioren-Nationalelf. [5]
»Der Trainer.«
»Oh, Trainer, Moment mal, es ist gerade ganz schlecht, Vorsicht! Oh nein – Trainer, warten Sie bitte mal kurz!«
»Was ist denn los bei euch, Marco?«
Sie unterhielten sich noch immer durch die geschlossene Tür.
»Der Fernseher steht direkt vor der Tür, wir müssen den erst wegräumen, ich weiß nicht, ob das geht, boah, ist der schwer!«,
rief Marco, der seelenruhig auf einem Stuhl saß.
»Ja. Okay, Jungs, lasst mal. War nichts Wichtiges.« Und Löhr ging. Für die Mitspieler sah es immer so aus, als albere Marco
herum, und Robert sei halt dabei. Robert hatte das Gefühl, Marco und er trieben gemeinsam Späße.
»Teresa sagte oft, ihr beide zusammen seid unerträglich albern«, sagt Marco. »Aber die Momente, als wir lachten – das war
der glücklichste Robbi.«
Für einen Fußballprofi, der gewohnt war, dass sich alles im Leben dem Sport unterordnete, erhielt Robert Enke im Sommer 1997
eine ungünstige Nachricht. Er musste zur Bundeswehr.
|51| Er hatte
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