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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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werden wie Kamps, immer Druck machen; immer Druck aushalten. Er hatte das Gefühl, keinen interessiere, was
     der dritte Torwart mache, er sei unsichtbar – und gleichzeitig fürchtete er, er könnte sich in der angespannten Lage mit Fehlern
     im Training den Zorn der Großen im Team zuziehen. Das war ein Widerspruch, aber diese Angst ist ein einziges Paradoxon.
    Für Teresa war das ein neuer Robbi. Sie war verwirrt, wo kam diese Angst her, so kannte sie ihn nicht. Gleichzeitig spürte
     auch sie eine Enttäuschung angesichts ihres anonymen Universitätslebens, vielleicht quälte ihn ebenso wie sie die Sehnsucht
     nach dem unbeschwerten Leben mit den Freunden in Jena. Oder es waren einfach nur ein paar schlechte Tage.
    Eine Woche verging, und jeder Morgen begann gleich.
    »Ich will nicht ins Training.«
    »Robbi, es ist doch nicht so schlimm.«
    »Ich will da nicht hin, verstehst du nicht, ich will einfach nicht.«
    »Marco ist doch auch da. Du wirst sehen, wenn du erst einmal dort bist, geht es schon.«
    Als er aus der Tür war, rief sie seinen Vater an.
    Dirk Enke kam am nächsten Wochenende.
    Er kannte die Angst von seinen Patienten. »Aber sehen Sie«, sagt er, »ich bin da als Therapeut einfach nicht zuständig, das
     kann ein Vater nicht leisten.« Er konnte dem Sohn nur sagen: Gib deinem Tag eine feste Struktur. Bei seinem Besuch warf er
     ihn morgens um sieben aus dem Bett, damit der Tag gleich losging, damit es feste Ziele am Horizont gab, Dinge, die der Sohn
     erledigte, und wenn es nur ein Spaziergang war, der ihm das Gefühl gab: Ich habe etwas geschafft.
    »Und geh zu einem Arzt«, sagte der Vater zum Abschied.
    Bei der Borussia stand das Wintertrainingslager an. Aus Angst wurde Panik. Er glaubte, er könne da nicht hin, eine Woche ausschließlich |47| in dieser Fußballelf, in der er nicht beachtet wurde und in der jeder Fehler von ihm im Training ganz genau registriert werden
     würde.
    Er ging zu Heribert Ditzel, dem Mannschaftsarzt.
    Ärzte von Profimannschaften stehen unter einem immensen Druck der Trainer, wöchentlich werden sie bedrängt, gegen ihren medizinischen
     Sachverstand verletzte Spieler mit Schmerzmitteln in den Kampf zu schicken.
    Dieses Mal jedoch dachte der Arzt nur an den Menschen vor ihm, nicht an den Klub. Ditzel mochte den zurückhaltenden Jungen.
     Er dichtete Robert Enke einen Grippevirus an, sodass der Torwart nicht ins Trainingslager fahren musste.
    Als die Mannschaft zurückkam, erhielt er einen neuen Spitznamen. Robert Enke war nun Cyrus für die Kollegen. Nach Cyrus dem
     Virus, einer Figur aus dem Kinofilm
Con Air
. Niemand zweifelte daran, dass er an einem Grippevirus litt. Er konnte über den neuen Spitznamen herzlich lachen. Ohne erkennbaren
     Anlass hatte sich die Angst nach vier Wochen wieder verzogen.
     
    Er strengte sich an, von Kamps zu lernen. Wenn der es offenbar zur Motivation brauchte, ihn als Rivalen zu betrachten, dann
     würde er eben heimlich von ihm lernen. Er beobachtete den Alten beim Training aus den Augenwinkeln. Er habe sich dann auch
     bei Schüssen aus nächster Nähe spekulativ in eine Richtung geworfen oder Flanken gefaustet, die er vielleicht hätte fangen
     können, sagte Robert später, fast verschämt. »Ich habe Uwes Stil ein wenig kopiert.«
    Einige deutsche Torhüter wie Uwe Kamps legten nach einer erfolgreichen Flugparade unter dem Raunen des Publikums noch zwei
     Rollen auf dem Rasen hin. Sie orientierten sich an der Lehre des Achtzigerjahre-Idols Toni Schumacher. Tauchte der Stürmer
     alleine vor ihnen auf, warfen sie sich ihm mit aller Macht in den Weg. Lenkten sie den Ball über die Torlatte, zogen sie während
     des Sprungs die Knie nach oben, damit auch der Letzte die Dramatik der Situation begriff. Deutsche Torhüter waren die besten
     der Welt, fanden die Deutschen.
    |48| Niemand im deutschen Publikum störte sich Ende der Neunziger daran, dass selbst exzellente Torleute wie Andreas Köpke, Stefan
     Klos und ein junger Mann aus Karlsruhe namens Oliver Kahn tief im eigenen Strafraum spielten, nah an der Torlinie, während
     in Argentinien, Spanien oder den Niederlanden der Torwart zum Ersatzlibero wurde. Weit vorgerückt machte er dem Gegner Steilpässe
     in die Sturmspitze unmöglich oder brach als zusätzliche Anspielstation für die eigene Abwehr das Pressing des Gegners. Einer
     der radikalsten Propheten des offensiven Torwartspiels war Edwin van der Sar von Ajax Amsterdam. Robert Enke sah van der Sar
     im Fernsehen, sah Uwe

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