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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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die einem später
     auf so milde Art peinlich sind: das unkontrollierte Herumgammeln, der Wäscheständer als Kleiderschrankersatz, der erste selbst
     gekaufte Badvorleger. Aber die Liebe und die große Freiheit des eigenständigen Lebens konnten ein Unbehagen |44| nur überdecken, nicht tilgen. »Wir waren zwei 19-Jährige, die eigentlich in eine Wohngemeinschaft gehörten, die Monate zuvor
     noch Teil einer Gruppe in Jena gewesen waren«, sagt Teresa. »Und plötzlich waren wir in diese fremde Kleinstadt ohne Studentenszene
     geworfen worden, wo wir keine Freunde hatten und sie auch nicht so leicht fanden.« Manchmal fragte sie sich: Das also war
     das Erwachsenenleben?
    Jeden sechsten Freitag putzte Teresa oder Robert das Treppenhaus. Die anderen fünf Mietparteien im Haus hatten beschlossen,
     die zwanzig Mark für die Putzfrau zu sparen. Einmal kam Teresa freitags spät von den Vorlesungen, Robert war zu einem Spiel
     mit Borussias Reserveelf unterwegs. Sie würde die Treppe samstags putzen, dachte Teresa. Am Freitagabend klingelte es an ihrer
     Tür.
    Corinna, eine ordentliche Nachbarin, stand vor Teresa.
    »Die Treppe ist nicht geputzt!«
    »Ich weiß. Robbi ist nicht da, und ich bin ziemlich müde von der Universität. Ich mache es morgen, gleich in der Früh.«
    »Die Treppe muss freitags geputzt werden!«
    Corinna klingelte immer öfter. Die Treppe sei an den Rändern nicht richtig geputzt. Jemand sei mit dreckigen Schuhen über
     die noch nasse Treppe gelaufen.
    Robert gab sich Mühe, der Frau unverändert mit zurückhaltender Höflichkeit zu begegnen. Teresa zog nach ein paar Wochen freitags
     eingeschüchtert die Schuhe unten am Hauseingang aus und ging in Strumpfsocken die Treppen hinauf in den dritten Stock.
     
    Marco Villa besuchte sie manchmal im Loosenweg. Robert und er kannten sich seit drei Jahren, ohne etwas Substanzielles über
     den anderen zu wissen. Sie hatten gemeinsam in der Jugend-Nationalelf gespielt. Marco Villa kam aus Neuss, Robert Enke aus
     Jena. Ihr erster Trainer in der Jugend-Nationalmannschaft, Dixie Dörner, habe das Ost-West-Denken gefördert, fand Marco, schon
     beim Aufwärmen habe es eine Gruppe Ost, eine Gruppe West gegeben.
    Einmal kam Marco zum Mittagessen. Robert saß im roten |45| Ledersessel und las ein Buch. Marco erhaschte einen Blick auf den Titel.
    100 Jobs mit Zukunft. Von Claudia Schumacher und Stefan Schwartz.
    »Was liest du denn da? Suchst du einen neuen Job, oder was?«
    »Ich wollte mal schauen, was man außer Fußball machen könnte.«
    »Hast du einen an der Waffel? Du bist Bundesligaprofi!«
    »Bei dir ist es anders, Marco. Du spielst, du machst deine Tore. Aber ich bin nicht einmal als Ersatzmann bei den Spielen
     dabei. Ich trainiere, und wenn es zählt, sitze ich zu Hause oder auf der Tribüne. Ich bin nutzlos.«
    »Du bist 19, Robbi! Das ist dein erstes Jahr hier. In ein paar Jahren wirst du spielen, mach dich doch nicht verrückt.«
    Sie vertieften das Thema nicht. Wenn Marco Robert Jahre später an die Szene erinnerte, sagte Robert, »was erzählst du da,
     ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, solch ein Buch jemals besessen zu haben«. Doch das Buch steht noch heute in
     seinem Büro in Empede, die Silbermedaille der Europameisterschaft 2008 baumelt daneben. Teresas Vater hatte ihm das Buch geschenkt.
     »Schau doch einmal rein«, hatte er gesagt, »vielleicht interessiert dich ja ein anderer Beruf.« Wenn es mit dem Fußball wirklich
     so schlimm sei.
     
    Er wollte nicht mehr zum Training. Es war Winter, Januar 1997, um halb fünf brach die Dunkelheit herein, und er saß in dieser
     Kleinstadt, mit der ihn nichts verband, in diesem Haus, in dem die Gartenzwerge liebevoller behandelt wurden als die Nachbarn.
     Und all das, um dritter Torwart zu sein, um mit der Reservemannschaft vor 120 Zuschauern zu spielen, um jeden Tag die Anspannung
     im Training zu ertragen.
    Die Stimmung in der Umkleidekabine war gereizt. Trainer Bernd Krauss stand jeden Samstag wieder 90 Minuten vor dem Rauswurf,
     im Dezember war es dann so weit. Die Pokalsiegerelf, zum Generalangriff auf die Bundesligaspitze hochgerüstet, dümpelte im
     Mittelfeld der Tabelle herum. In einem Trainingsspiel |46| gegen den Zweitligisten Fortuna Köln durfte Robert Enke einmal in der ersten Elf spielen. Die Borussia verlor 1:4.
    Er spürte wieder das heiße, hektische Pochen. Die Angst aus der A-Jugend, die Großen zu enttäuschen, war wieder da. Er fürchtete,
     er könnte nie so

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