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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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Dani García,
     zu trainieren. Er musste einen Vertrag unterschreiben, dass er aus dem Training auf dem Vereinsgelände keine Gehaltsansprüche
     ableiten würde. Er verpflichtete sich, die Trainingsplätze nur zu Zeiten zu benutzen, wenn die Profimannschaft nicht anwesend
     war, wenn ihn keiner sah; wenn ihm deutlich wurde, dass er nie mehr dazugehören würde. Nicht dass er noch auf die Idee kam,
     seinen gültigen Vertrag bei Barça in der nächsten Saison zu beanspruchen.
    Einmal brachte er die Trainingszeiten durcheinander. Plötzlich stand in den Katakomben des Stadions Victor Valdés vor ihm,
     auf dem Weg zum Training mit Barças Profis.
    Victor deutete ein Nicken an. Er konnte nicht erkennen, ob Robert den Gruß erwiderte. Denn sie blickten beide zu Boden. »Ich
     traute mich nicht, ihn anzusprechen«, sagt Victor, »ich dachte, die einfache Frage ›Wie geht’s?‹ könnte ihm wehtun.«
    Robert Enke bekam Panik. Er durfte doch nicht trainieren, wenn die erste Mannschaft anwesend war. Er flüchtete sich ins Zimmer
     der Physiotherapeuten und ließ sich behandeln. Ein Fuß schmerze ihn.
    Danach fuhr er wieder nach Hause. Sollte er den Tunnel mit der Maut nehmen oder die Landstraße? Er überlegte immer noch, er
     fragte sich, wie soll ich das denn entscheiden, als er schon an der Mautstation stand und es keine andere Möglichkeit mehr
     gab als den Tunnel.
    Zu Hause wollte er nicht aus dem Auto aussteigen.
    Ich getraue mich gar nicht mehr nach Hause, weil ich dann Terri gegenübertreten muss und mich nicht zusammenreißen kann.
    Er nahm die Antidepressiva, am Abend war sein Mund wie ausgetrocknet, so viel Wasser er auch trank. Immerhin die Nebenwirkungen
     der Medikamente funktionierten schon bestens, sagte er sich. Er wusste nicht, von woher diese Ironie plötzlich angeflogen
     kam, sein alter, stiller Humor.
    |219| Abends zwang ihn Teresa, am Kloster in Sant Cugat ein Eis essen zu gehen. Kinder tollten über den Platz vor dem fast tausend
     Jahre alten Konvent. Pensionäre saßen zufrieden auf den Bänken und kauten Sonnenblumenkerne, die untergehende Sonne gab der
     Plaza einen letzten goldenen Stich. Susanne und Axel waren mitgekommen, die Freunde aus der deutschen Kolonie, die für eine
     Dreiviertelstunde die Rettung waren.
    Ihre Anwesenheit brach das Schweigen. Auch er konnte auf einmal wieder reden, über den Geschmack des Aprikoseneises, über
     Dickens, sogar über Barça. Doch er spürte die Entspanntheit nicht, die er ausstrahlte. In ihm war eine Scheibe aus Doppelglas,
     die ihn vom Leben um ihn herum abschirmte, die das Gespräch, die Abendsonne, die tollenden Kinder nur dumpf an ihn heranließ.
    Abends gingen Teresa und er um neun ins Bett.
     
    Eine Frage war: Warum? Warum hatte er Depressionen? Dass die eiskalte Abschiebung von Barça der Auslöser der Krankheit war,
     schien naheliegend; das Gefühl, nichts mehr wert zu sein, mischte sich mit der Verzweiflung, keine andere Wahl als Istanbul
     zu haben, wo die Fans ihn nicht wollten und er nicht sein wollte. Besaß er eine Erbanlage für Depressionen, wäre er auch als
     Lehrer, Sportreporter oder Kaufmann erkrankt? Oder hatten ihn allein die Grenzerfahrungen des Leistungssports in die Krankheit
     getrieben?
     
    Der Vater stellt sich die Frage noch immer, der Motor seines Volkswagens grummelt, als er den Berg nach Cospeda hinauffährt,
     dichter Wald umgibt die Landstraße, ehe eine Lichtung den Blick freigibt, zu Füßen liegt Jena, nur noch ein Fleck im Tal.
     Die Datscha der Enkes steht links im Feld. Hierher kamen sie früher oft, wenn die Arbeitswoche vorüber war, wenn es etwas
     zu feiern gab. Dirk Enke will die Stätten abfahren, die ihn an Robert erinnern, Sportgymnasium, Breite Straße mit der Wohnung
     von Oma Käthe, der dritten Oma. An der Datscha macht er den Motor aus. Der Wagen schüttelt sich kurz, ehe er verstummt.
    |220| »Robert hatte das Denken, wenn ich nicht der Beste bin, bin ich der Schlechteste. Und das ist eine fundamentale Fehlentwicklung:
     Das ist der Gedanke eines Menschen, der gelernt hat, nur für Leistung werde ich geliebt, nicht, weil ich einfach da bin.«
    Die Autoscheibe beschlägt von innen. Durch die sich milchig färbende Windschutzscheibe sind die weiten Wiesen noch als grünbrauner
     Hintergrund zu erkennen. Die Stille scheint absolut.
    »Der Zusammenhang muss bei Robert bestanden haben: Bin ich nicht gut, werde ich nicht geliebt.«
    Und wenn er dann tatsächlich einmal nicht gut war als

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