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Robert Enke

Robert Enke

Titel: Robert Enke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald Reng
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auf ihre Klugheit oder Lebenserfahrung zu verzweifelten Wracks reduzierte? Was ihm fehlte, war eine Erklärung, wie
     er jemals wieder aus der Dunkelheit hinausfinden sollte.
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Lange halte ich das nicht mehr aus. Dann bleibe ich morgens einfach liegen.
    Neben ihm am Frühstückstisch, durch eine dicke Wand des Schweigens getrennt, dachte Teresa auf ganz andere Art dasselbe: Lange
     halte ich das nicht mehr aus.
     
    Die Angstzustände und die Schwermut, die ihn im Laufe der Jahre immer mal wieder gequält hatten, waren sichere Hinweise gewesen,
     dass er anfällig für Depressionen war. Aber die Angst, andere und sich selbst zu enttäuschen, spürten viele, Immel, Valdés,
     Torhüter nutzten die Angst sogar, um konzentriert zu bleiben, um Reaktionen aus dem Körper zu kitzeln, zu denen nur ein Mensch
     in Gefahr fähig ist. Nach niederschmetternden Erfahrungen traurig und verzweifelt zu sein, wie er nach Novelda, war noch lange
     keine Depression, sondern menschlich.
    Nichts hatte ihn und Teresa darauf vorbereitet, was Depressionen wirklich sind.
     
    Jeden Morgen stand er vor acht auf. Er musste dem Tag eine Struktur geben, Dinge erledigen, den Gedanken keine Chance geben
     zu kreisen, hatte ihm Doktor Geldschläger noch einmal eingeschärft, und da begannen die Gedanken schon wieder zu kreisen.
     Wieso hatte er die Sitzungen mit Doktor Geldschläger in der Zeit nach Novelda nicht ernst genug genommen? Hätte er damals
     die Depressionen noch aufhalten können? Was, wenn er sich in Novelda nicht so verrückt gemacht hätte?
    Er wollte gegen die Krankheit angehen, so wie andere gegen den Krebs kämpften, jeden Morgen schnappte er sich die Hunde, den
     Tag strukturiert beginnen, Dinge erledigen. Aber wer an Krebs litt, hatte wenigstens seinen Verstand und, im besten Fall,
     seinen Mut und Willen. Er hatte nichts mehr im Kopf als diese erdrückende Schwere.
    In seinem Tagebuch begann beinahe jeder Eintrag mit demselben Gedanken:
Ich habe das Gefühl, es wird jeden Tag schlimmer.
    Es ging nicht darum, dass er etwas Außergewöhnliches tat, sondern dass er wenigstens noch irgendetwas tat. Teresa fragte |217| ihn: »Kommst du mit in den Reitstall?« Er saß mit schiefem Kopf auf der Terrasse, dieser schiefe Kopf machte sie noch wahnsinnig,
     und er überlegte, überlegte hin und her, es gab so viele Gründe, in den Reitstall zu gehen, und so viele, die dagegen sprachen,
     wie sollte er das jemals entscheiden? »Ich weiß nicht«, antwortete er.
    In den ersten Tagen sagte sie, komm mit. Aber die Wochen vergingen, der Kopf blieb schief, und Teresa verließ die Kraft. Es
     half offensichtlich nichts, dass sie ihn antrieb. Vielleicht war es besser, wenn sie ihn einige Stunden sich selbst überließ.
     Auf sich gestellt, schaffte er es vielleicht wieder, wenigstens kleine Entscheidungen selbst zu treffen.
    Doktor Geldschläger bat Teresa auch zu einer Sitzung. Für Angehörige von Depressiven sei das Leben mindestens genauso schwer
     wie für die Kranken selbst. Sie prallten an einer Wand ab mit all ihren gut gemeinten optimistischen, rationalen Ansichten.
     Depressive wissen immer ganz genau, warum alles, was man ihnen vorschlägt, nur schiefgehen kann. Halten Sie durch, sagte Doktor
     Geldschläger.
    Teresa sagte sich, dieser Mann an meiner Seite ist nicht mein Robbi, sondern ein Kranker: Es war die Krankheit, die für all
     dieses unmögliche Verhalten verantwortlich war. Du musst ihm helfen. Aber Geduld ist ein endliches Gut, wenn dein Mann ein
     Bündel voller Ängste, ohne Kraft geworden ist, den alles aufregt.
    »Die Hunde machen mich wahnsinnig!«
    »Als du aus Istanbul kamst, sagtest du, du hättest mich und die Hunde so vermisst.«
    »Aber sie laufen ständig alle wild in der Wohnung herum!«
     
    Er brauchte Antidepressiva. Allein mit Gesprächstherapie und Muskelentspannung kam er nicht mehr weiter. Ein befreundeter
     Arzt aus der Bundesliga, ein Internist, kein Facharzt auf dem Gebiet, verschrieb ihm die Tabletten. Er hatte noch immer das
     Gefühl, er müsse seine Krankheit geheimhalten, ohne darüber nachzudenken, wieso eigentlich. Er wusste nicht, ob er jemals
     wieder Profifußballer sein wollte. Sicher war nach seiner Ansicht nur, er hatte bereits zu viele Fehler für ein Leben begangen,
     um |218| sie je wiedergutzumachen, um je wieder weiterzuleben, wie es das Wort Leben verdiente.
    Nach einigem Hin und Her erlaubte ihm der FC Barcelona, wieder mit den anderen zwei Geächteten, Roberto Bonano und

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