Robinson Crusoe
Gedanken an mein Vorhaben wieder, und ich rüstete mich täglich zur Reise. Zuallererst legte ich einen gewissen Vorrat an Lebensmitteln zurück und gedachte dann, in etwa vierzehn Tagen mein Dock zu öffnen und unser Boot ins Wasser zu lassen. Als ich eines Morgens mit derlei Vorbereitungen beschäftigt war, rief ich Freitag und hieß ihn ans Ufer gehen und eine Schildkröte suchen, wie wir gewöhnlich der Eier und des Fleisches wegen einmal in der Woche taten. Freitag war noch nicht lange fort, als er plötzlich zurückgelaufen kam und über meine äußere Mauer flog wie einer, der den Boden nicht unter den Füßen fühlt, und ehe ich noch Zeit hatte, ihn zu fragen, rief er mir zu: «O Herr! O
Herr! O schrecklich! O schlecht!». «Was ist denn, Freitag?» fragte ich. - ›«O da drüben», stammelte er,
«eins, zwei, drei, Kanoe! eins, zwei, drei!» Da ich seine Art zu sprechen kannte, schloß ich, es seien sechs Kanoes dort, als ich aber nochmals fragte, merkte ich, daß es nur drei waren. «Fürchte dich nicht, Freitag», sagte ich und redete ihm so gut zu, wie ich konnte.
Indessen sah ich, daß der arme Bursche ganz außer sich vor Angst war, da er sich nichts anderes denken konnte, als daß sie gekommen seien, um nach ihm zu suchen und ihn in Stücke zu schneiden und
aufzufressen. Der arme Teufel zitterte so, daß ich kaum wußte, was ich mit ihm anfangen sollte. Ich tröstete ihn, so gut ich konnte, und sagte ihm, daß ich in derselben Gefahr sei wie er, denn sie würden mich
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ebensogut wie ihn auffressen. «Aber», sagte ich, «wir müssen uns zum Kampf entschließen. Kannst du kämpfen, Freitag?» - «Ich schießen», sagte er, «aber da kommen viele, große Zahl.» - «Tut nichts», erwiderte ich, «die wir nicht treffen, werden unsere Flinten auch in Schrecken jagen.» Also fragte ich ihn, ob er mich wohl auch verteidigen wolle, wenn ich ihn verteidigte, und ob er tapfer bei mir bleiben und alles tun wolle, was ich ihm sagte. Er rief: «Ich sterben, wenn du befehlen, sterben, Herr!» Hierauf gab ich ihm einen tüchtigen Schluck Rum; denn ich hatte mit meinem Rum so gut hausgehalten, daß ich noch immer eine ganze Menge hatte. Nachdem er getrunken hatte, gab ich ihm die zwei Vogelflinten, die wir immer mitnahmen, und lud sie mit schwerem Schrot, fast so groß wie kleine Pistolenkugeln. Dann nahm ich vier Musketen und lud sie mit zwei Stück Blei und fünf kleinen Kugeln und meine kleinen Pistolen mit je einem Streifen Patronen. Mein Schwert hing ich wie gewöhnlich an meine Seite und gab Freitag seine Axt.
So gerüstet nahm ich mein Fernglas und stieg auf den Hügel, ob ich etwas entdecken könnte. Auf den ersten Blick sah ich, daß einundzwanzig Wilde, drei Gefangene und drei Kanoes da waren. Ihr einziges Vorhaben schien ihr Siegesschmaus mit diesen drei Menschenleibern zu sein, ein barbarisches Fest freilich, aber nichts Neues mehr für mich.
Es fiel mir auch auf, daß sie nicht dort gelandet waren, wo Freitag ihnen damals entwischte, sondern näher an meiner Bucht, wo die Küste niedrig war und ein dichtes Gehölz fast bis hinunter an die See reichte.
Dieser Umstand und der Abscheu vor dem
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unmenschlichen Vorhaben des Gesindels empörte mich so, daß ich wieder zu Freitag hinunterstieg und ihm sagte, ich sei entschlossen, zu ihnen
hinunterzugehen und sie alle zu töten; ob er mir beistehen wolle. Er hatte nun seine Furcht überwunden, und seine Geister hatten sich durch den Schluck Rum wieder etwas gehoben, so daß er sehr vergnügt war und mir wiederholte, er sei bereit zu sterben, wenn ich es von ihm verlangte.
In dieser ersten Hitze verteilte ich die geladenen Waffen unter uns beide. Ich gab Freitag eine Pistole in seinen Gürtel zu stecken und drei Gewehre auf die Schulter, und ich selber nahm die anderen drei und die zweite Pistole. So ausgerüstet marschierten wir los. Ich steckte eine kleine Flasche Rum in meine Tasche, gab Freitag einen großen Beutel mit Pulver und Blei und befahl ihm, dicht hinter mir zu bleiben, nicht herumzulaufen, zu schießen, noch sonst etwas zu tun, ehe ich es nicht befehlen würde, mittlerweile aber sich nicht zu mucksen. In solcher
Schlachtordnung schlug ich einen Umweg nach rechts ein, ungefähr eine Meile weit, um sowohl über den Bach wie in das Gehölz hineinzukommen, um bereits in Schußweite von ihnen zu sein, ehe sie mich noch entdeckten; ich hatte durch mein Glas gesehen, daß das leicht zu machen war.
Auf diesem Marsch regten sich
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